Entscheidungsstichwort (Thema)
Anlageberater. Fahrlässigkeit. Vorsatz
Leitsatz (amtlich)
- Schadensersatzhaftung eines Arbeitnehmers – Anlageberaters einer Bank – bei Missachtung von Kundenvorgaben beim Aktienkauf
- Abgrenzung grober (gröbster) Fahrlässigkeit zum bedingten Vorsatz und mögliche Haftungserleichterungen nach den Grundsätzen der privilegierten Arbeitnehmerhaftung
- Obliegenheit des Arbeitgeber zur vorrangigen Inanspruchnahme bestehender Versicherungen
Normenkette
BGB §§ 280, 254
Verfahrensgang
ArbG München (Teilurteil vom 26.05.2004; Aktenzeichen 31 Ca 7507/02) |
Nachgehend
Tenor
I.Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 26. Mai 2004 – 31 Ca 7507/02 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
II.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten als ihren früheren Arbeitnehmer auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.
Der, ausweislich der vorgelegten Unterlagen, am 00.00.1956 geborene Beklagte war gemäß Anstellungsvertrag vom 23./27.09.1999 (Anl. B1, Bl. 64 bis 68 d. A. bzw. Anl. BK1, Bl. 446 bis 450 d. A.) (spätestens) ab 01.04.2000 bei der Klägerin als „Kundenberater Wertpapier” beschäftigt, wobei seine Aufgabe näher in der Beratung und Betreuung von Privatkunden im Wertpapierbereich, der Ausführung von Wertpapierorders etc. bestand. Der Beklagte erhielt eine Vergütung von 10.000,– DM (5.112,92 EUR) brutto/Monat zzgl. vermögenswirksamer Leistungen. Das Arbeitsverhältnis endete – offensichtlich auf Initiative der Klägerin gemäß Schreiben vom 05.07.2001 (Anl. K35, Bl. 489 d. A.) im Zusammenhang mit den hier insgesamt streitgegenständlichen Vorwürfen/Schadensersatzansprüchen – durch Eigenkündigung des Beklagten zum 31.12.2001.
Der Beklagte, der u.a. nach seinem vorgelegten Lebenslauf (Anl. K18 f, Bl. 88 f d. A.) ausgebildeter Bankkaufmann ist und vor seiner Tätigkeit bei der Klägerin bei einer anderen Bank als stellvertretender Zweigstellenleiter, in der Vermögensberatung und im Zeitraum von Februar 1988 bis Juni 1990 als Aktienhändler im dortigen Börsenbüro tätig war, hatte selbst u. a. in Aktien der Fa. P. investiert, deren Aktien, bei einem Aktienkapital von 1.375.000 Stück, sich in erheblichem Umfang auch in den Aktiendepots der vom Beklagten betreuten Kunden befanden. Soweit hier streitgegenständlich erhielt der Beklagte von dem von ihm betreuten Kunden J. G. am 12./13.06.2001 den Auftrag, zusätzlich zu den bereits in dessen (kreditfinanziertem) Aktiendepot befindlichen 1.100 P-Aktien weitere 500 Aktien dieses Unternehmens hinzuzukaufen und dessen Aktienbestand dieses Unternehmens mit einer sog. Stopp-Loss-Order, einem Absicherungskurs, von 20,20 vorzumerken. Diese Order wurde vom Beklagten aus, streitigen, Gründen nicht ausgeführt. Die Kursentwicklung der P.-Aktien unterschritt am Abend des 13.06.2001 das mit der Stopp-Loss-Order des Kunden G. vorgegebene Kurslimit. Mit Schreiben vom 18.06.2001 (Anl. K3, Bl. 32 d. A.) teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass, u. a., beim Kunden G. durch die Kursentwicklung der P.-AG der Kurswert dessen Depots unter die Inanspruchnahme gefallen sei, er jedoch um „Tolerierung bis 30.07.” bitte, da sich der Kurs nach der Hauptversammlung dieses Unternehmens am 25.07. wieder an seinen Fundamentaldaten orientieren werde. Mit weiterer schriftlicher „Stellungnahme zur Engagemententwicklung J. G. …” vom 30.06.2001 (Anl. K4, Bl. 33 d. A.) teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass „auf Grund des Kursverfalls der P. AG und meiner Missachtung von Stopmarken zur Absicherung” der Beleihungswert dieses Depots stark unter die Inanspruchnahme des Kontos gefallen sei. Mit erneuter Stellungnahme vom 02.07.2001 zum Depot des Kunden G. (Anl. K5, Bl. 34 d. A.) sowie weiter mit Schreiben vom 03.07.2001 (Anl. K7, Bl. 36 d. A.) führte der Beklagte gegenüber der Klägerin aus, dass Herr G. seinerseits keinerlei Orders erteilt und bisher immer auf ihn, den Beklagten, vertraut habe und sich inzwischen mehrmals geäußert habe, dass ihm das Risiko zu hoch sei und der Beklagte von weiteren Käufen absehen und bei den P-Aktien bei Kursen von ca. 20,– EUR eine Verlustbegrenzung vormerken solle – „nachdem der Kurs am Abend des 13.06. mit einer Kursfeststellung auf 19,– EUR (gefallen sei) und am 14.06. bei 13 eröffnete … (sei) eine aus damaliger Sicht sinnvolle Verlustbegrenzung nicht möglich” gewesen, weshalb der maximale Schaden derzeit ca. DM 33.000,– bzw. DM 39.740,– betrage. Die Klägerin erstattete daraufhin diesem Kunden einen Betrag von 39.740,– DM/20.320,– EUR.
Die Klägerin hat eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Banken (VVB: Bl. 121 bis 127 d. A. bzw. Anl. BK3, Bl. 461 bis 467 d. A.) sowie eine Vertrauensschadenversicherung (Versicherungsbedingungen: Anl. K22, Bl. 213 bis 225 d. A.) abgeschlossen, wobei erstere eine Einstandspflicht im Hinblick auf den vertraglichen Haftungsausschluss bei bewussten Verstößen gemäß der einschlägigen Versicherungsbedingungen...