Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Keine europarechtliche Kollision durch Festsetzung angemessener Ausschlussfristen. Erfolglosigkeit einer verspäteten Entfristungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

Wiederholte Klage gegen ehemaligen Arbeitgeber, nunmehr wegen angeblicher Hemmung in der Vergangenheit fällig gewordener Ansprüche auf Überstundenvergütung und Sonntagszuschläge durch Entfristungsklage.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind.

2. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen ist für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar. Solche Fristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren. Dabei sind die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, mangels einschlägiger Unionsregelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedsstaats.

3. Sind die streitgegenständlichen Ansprüche des Klägers mit Ablauf der dreimonatigen Geltendmachungsfrist jeweils verfallen, bewirkt eine danach erhobene Entfristungsklagemüsste nicht, dass die streitgegenständlichen Ansprüche wieder entstehen.

 

Normenkette

BGB § 305c Abs. 2; AEUV Art. 267

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 26.11.2021; Aktenzeichen 33 Ca 12651/20)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 31.03.2023; Aktenzeichen 1 BvR 382/23)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 26.11.2021 - 33 Ca 12651/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war seit dem 02.05.2019 bei der Beklagten als Seminarleiter befristet zu einer monatlichen Bruttovergütung von 3.100,00 € beschäftigt. Neben der Durchführung und Betreuung von Sprach- und Integrationskursen gehörten zu seinen Arbeitsaufgaben die Teilnahme an Teamsitzungen und die ordnungsgemäße und vollständige Abgabe von Abrechnungsunterlagen der durchgeführten Projekte und Kurse. Die regelmäßige Arbeitszeit betrug 40 Stunden wöchentlich in einer Sechs-Tage-Woche, wobei sich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit nach den Kurszeiten richtete, § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags. Nach § 11 des Arbeitsvertrags mussten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit in Textform geltend gemacht und im Falle ihrer Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von drei Monaten eingeklagt werden. Unberührt davon blieben Ansprüche, die auf Handlungen wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit beruhten sowie Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit Ablauf der vertraglichen Befristung am 30.04.2020. Hiergegen erhob der Kläger rechtzeitig Entfristungsklage vor dem Arbeitsgericht München zum Az. 25 Ca 6071/20.

Der Kläger machte mit Schreiben vom 16.09.2020 erfolglos die Zahlung von 564 Überstunden geltend.

Mit Klage vom 21.10.2020 hat der Kläger seine Zahlungsansprüche auf Überstundenvergütung weiterverfolgt und auf 630 Überstunden erhöht. Der Kläger habe wöchentlich 14 Überstunden geleistet, weil er tatsächlich 54 Schulstunden im Sinne des § 19 Abs. 3 BaySchO, wonach eine Unterrichtsstunde 45 Minuten betrage, gearbeitet habe. Es sei ein Stundenlohn von 18,02 € brutto zugrunde zu legen, da die monatliche Bruttovergütung durch 172 vereinbarte monatliche Arbeitsstunden zu teilen sei. Bei 45 Wochen vom 02.05.2019 bis 16.03.2020 errechne sich ein Gesamtbetrag von 11.352,60 € brutto. Durch Klageerweiterung vom 01.02.2021 hat der Kläger diesen Betrag auf 14.037,58 € brutto erhöht. Mit Klageerweiterung vom 09.04.2021 hat der Kläger zusätzlich die Zahlung von Sonntagszuschlägen in Höhe von 100% aus dem Stundenlohn von 18,02 € brutto begehrt, weil er im Beschäftigungszeitraum an 45 Sonntagen 8 Stunden von 09:15 Uhr bis 17:15 Uhr gearbeitet habe. Die vertragliche Ausschlussfristenregelung sei nicht anwendbar. Das Gemeinschaftsrecht der EU stehe der Anwendung einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts entgegen wegen eines Zeitraums, für den ein Arbeitnehmer Anspruch auf rückständiges Arbeitsentgelt geltend machen könne, wenn dieser auf zwei Jahre vor der Einleitung des Verfahrens beschränkt werde, wenn der Arbeitgeber, wie hier, die Beklagte, dem Kläger gegenüber die Höhe des Entgelts bewusst falsch angegeben habe. Die bewusst falsche Angabe ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte im Ar...

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