Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung und Ausschlussfristen. Angemessenheit und Deutlichkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung kann als reiner Geldanspruch Ausschlussfristen unterliegen. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 3 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG entgegen.
2. Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB. Sie sind nicht überraschend oder ungewöhnlich. Die Regelung ist mit der hervorgehobenen Überschrift "Ausschlussfristen" im Arbeitsvertrag für den Vertragspartner deutlich erkennbar. Sie entspricht auch einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben.
Normenkette
RL 2003/88/EG Art. 7; BUrlG §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 S. 1; BGB § 305 Abs. 1, § 305c; BEEG § 17; MuSchG § 24
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 19.08.2020; Aktenzeichen 34 Ca 745/18) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19.08.2020 - 34 Ca 745/18 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen.
Die Klägerin war ab dem 02.01.2012 bei der Beklagten als Bürokauffrau mit einem Bruttomonatsgehalt iHv. € 2.300,00 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.08.2011 (Bl. 7 - 10 d.A.) beschäftigt. In § 4 des Arbeitsvertrages stand:
"§ 4 Urlaub
Der Jahresurlaub beträgt 28 Arbeitstage (auf der Basis einer regelmäßigen 5-Tage-Woche). In dem Kalenderjahr, in dem das Arbeitsverhältnis beginnt oder endet, hat der Arbeitnehmer für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubes."
§ 10 des Arbeitsvertrages lautete:
"§ 10 Ausschlussfrist
1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
2. Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder sie erklärt sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."
Vom 01.01.2013 bis 03.04.2013 war die Klägerin in Mutterschutz nach der Geburt ihres ersten Kindes. Anschließend vom 04.04.2013 bis zunächst 30.04.2014, verlängert auf 18.06.2014, befand sich die Klägerin in Elternzeit. Nahtlos nach der bis zum 18.06.2014 gehenden Elternzeit war die Klägerin anschließend bis 12.10.2014 in Mutterschutz für ihr zweites Kind L., das am 00.00.2014 geboren wurde. Im Anschluss an die Mutterschutzfrist nahm die Klägerin bis zum 17.08.2017 Elternzeit.
Mit Schreiben vom 03.08.2017 (Bl. 13 d.A.) kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis zum 31.08.2017 und beantragte gleichzeitig ihren Resturlaub. Im Zeitraum 18.08. bis 31.08. 2017 nahm die Klägerin 10 Tage Urlaub.
Mit einer mail vom 25. Oktober 2017 (Bl. 36 d.A.) machte die Klägerin von der Beklagten für Mutterschutzzeiten in den Jahren 2013 und 2014 für insgesamt 14 Tage Urlaubsansprüche geltend, worauf die Beklagte sich mit einer mail vom 25.10.2017 (Bl. 38 d.A.) darauf berief, dass dieser Urlaub verfallen sei. Mit einer mail vom 30.11.2017 (Bl. 36 d.A.) erinnerte die Klägerin an ihre erste mail und setzte der Beklagten eine Frist bis zum 08.12.2017 mit dem Hinweis, dass sie danach einen Anwalt einschalten würde. Mit einem am 23.01.2018 beim Arbeitsgericht eingegangen Schriftsatz erhob die Klägerin sodann eine Klage, die der Beklagten am 01.02.2018 zugestellt wurde.
Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin eine Urlaubsabgeltung nach § 17 Abs. 4 BEEG iVm. § 17 Abs. 1 BEEG für die Jahre 2013 bis 2017 mit je 28 Urlaubstagen geltend gemacht. Insgesamt hat sie nach Abzug von im Jahr 2017 noch genommenen 10 Urlaubstagen eine Urlaubsabgeltung für 130 Tage mit einem Faktor von € 106,15 pro Tag verlangt. Sie hat bestritten, dass die Beklagte ihr gegenüber eine Kürzungserklärung abgegeben habe und sich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen, wonach während der Mutterschutzfrist und der Elternzeit kein Verfall des Urlaubs eintrete und nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses keine Kürzungsmöglichkeit von Seiten des Arbeitgebers mehr bestünde. Die Klägerin hat sich darauf berufen, dass sie mit ihrer mail vom 25.10.2017 zum Ausdruck gebracht habe, dass sie ihren ganzen Urlaub abgegolten haben wollte. Weiter hat die Klägerin gemeint, dass die Beklagte sich nicht auf die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist berufen könne, da der Arbeitgeber verpflichtet sei, von sich aus konkret und in völliger Transparenz den Arbeitnehmer über die Höhe des Erholungsurlaubs zu informieren und...