Entscheidungsstichwort (Thema)
Erledigung eines Abfindungsanspruchs aus Betriebsvereinbarung ohne Zustimmung des Betriebsrats durch Tatsachenvergleich zur Beendigung eines Kündigungsrechtsstreits. Unbegründete Klage auf Zahlung einer Differenzabfindung bei vergleichsweiser Vereinbarung einer umfassenden Ausgleichsklausel
Leitsatz (amtlich)
Schließen die Parteien in einem Kündigungsrechtsstreit einen Vergleich, in dem alle wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt sein sollen, so stellt dies, wenn sie auch über die Anwendbarkeit eines Sozialplanes auf die Klagepartei gestritten haben, eine Gesamtbereinigung des Rechtsverhältnisses durch einen Tatsachenvergleich dar. Diese ist auch ohne Zustimmung des Betriebsrats wirksam. Nach dessen Abschluss kann die Klagepartei keine Differenzabfindung aus einem abgeschlossenen Sozialplan mehr begehren.
Leitsatz (redaktionell)
Ein Verzicht auf an sich unverzichtbare Ansprüche ist rechtmäßig, wenn über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs gestritten wird und die Ungewissheit hierüber durch gegenseitiges Nachgeben vergleichsweise beseitigt wird (Tatsachenvergleich).
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 4 S. 2; BGB § 397 Abs. 2, § 779; ZPO § 278 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 23.06.2015; Aktenzeichen 40 Ca 6952/14) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 23. Juni 2015 - 40 Ca 6952/14 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch in der Berufungsinstanz über die Zahlung eines Differenzbetrages zu einer Sozialplanabfindung.
Die Klägerin war bei der Beklagten, einer 100%-igen Tochtergesellschaft der ..., bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 1991 als Sachbearbeiterin, zuletzt im Bereich Assetmanagement beschäftigt. Die Beklagte ist im Bereich des Erwerbs, der Verwaltung, Vermietung, Verpachtung, Veräußerung und sonstigen Verwertung von Immobilien sowie dem Erwerb, der der Verwaltung und Veräußerung von Immobilien erhaltenden Gesellschaften tätig.
Bei der Beklagten besteht eine ungekündigte Betriebsvereinbarung zur Strategieumsetzung vom 21. Apr. 2004 (nachfolgend: BV Strategieumsetzung; Anlage K 1, Bl. 4 ff. d. A.), die u.a. nachfolgende Regelungen beinhaltet:
"A. Präambel
Um den Erfolg der Gesellschaften und damit der Arbeitsplätze für die Mitarbeiter in Zukunft zu sichern, werden die Gesellschaften ihre strategische Ausrichtung den veränderten Rahmenbedingungen entsprechend modifizieren und gleichzeitig Strukturen und Abläufe optimieren.
...
B. Fachlicher Geltungsbereich und Verfahren
1. Organisatorische und strukturelle Maßnahmen
Die nachfolgenden Regelungen gelten für alle organisatorischen und/oder strukturellen Vorhaben zur Verbesserung des Ertrags der Gesellschaften und die daraus resultierenden personellen Maßnahmen.
...
C. Personalwirtschaftliche Instrumente und Regelungen
1. Persönlicher Geltungsbereich
Diese Vereinbarung gilt für alle Mitarbeiter der Unternehmen, soweit sie nicht leitende Angestellte i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG sind.
2. Arbeitsplatzsicherung/Versetzung
2.1. Grundsatz der Arbeitsplatzsicherung
2.1.1. Vorrangiges Ziel ist, Mitarbeiter, deren Arbeitsplatz aufgrund organisatorischer und/oder struktureller Maßnahmen entfällt oder in der gehaltlichen Wertigkeit sinkt, auf einem Arbeitsplatz einzusetzen, der ihren Fähigkeiten und Erfahrungen entspricht. ...
...
2.2. Gleichwertiger Arbeitsplatz in der bisherigen Einheit
Sofern aufgrund struktureller und/oder organisatorischer Veränderungen ein Arbeitsplatz in seiner Wertigkeit sinkt oder wegfällt, ist dem Mitarbeiter ein gleichwertiger Arbeitsplatz in der bisherigen Einheit bzw. am bisherigen Arbeitsort anzubieten. Gleichwertig ist ein Arbeitsplatz, wenn die (gehaltliche) Wertigkeit des neuen Arbeitsplatzes der des bisherigen entspricht oder wenn die für diesen Arbeitsplatz erforderliche Qualifikation durch Qualifizierungsmaßnahmen innerhalb einer angemessenen Frist erworben werden kann und der Arbeitsplatz am bisherigen Arbeitsort liegt. ....
2.3. Gleichwertiger Arbeitsplatz in möglichst nahegelegener Einheit
Sofern ein solcher freier Arbeitsplatz am bisherigen Arbeitsort nicht besteht, ist dem Mitarbeiter ein gleichwertiger Arbeitsplatz in einer möglichst nahegelegenen Einheit der Gesellschaften anzubieten (gleichwertig zumutbarer Arbeitsplatz). ...
Als zumutbar gilt ein Arbeitsplatz in jedem Fall, wenn die Fahrtdauer von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück zusammen bis zu 150 Minuten beträgt. Hierbei ist von der Nutzung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels auszugehen. Bei täglich reduzierter Arbeitszeit ist die individuelle Situation angemessen zu berücksichtigen.
2.4. Geringer bewerteter Arbeitsplatz
Besteht kein gleichwertiger oder gleichwertig zumutbarer Arbeitsplatz, wird dem Mitarbeiter ein Einsatz auf einem geringer bewerteten Arbeitsplatz in derselben oder einer möglichst nahegel...