Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB. Dynamische Bezugnahme auf tarifliche Regelungen im Arbeitsvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind.

2. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen "erhebliche Zweifel" an der richtigen Auslegung bestehen.

3. Ein umfassender Verweis auf die jeweils gültigen Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften in dem als Arbeitsvertrag verwendeten Formular spricht für den verallgemeinerbaren Willen des Verwenders, die kollektiv geltenden Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmer vertraglich zu vereinbaren.

 

Normenkette

BGB § 305 Abs. 1, § 305c Abs. 2, § 310 Abs. 3; MTV Nr. 13 Boden v. 14.06.1988 § 30 i.V.m. Arbeitsvertrag v. 10.11.1988 Nr. 5

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 18.03.2022; Aktenzeichen 23 Ca 9984/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 18.03.2022, Az.: 23 Ca 9984/21 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den vertraglichen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines 13. Monatsgehalts.

Der Kläger ist seit dem 01.01.1989 bei der Beklagten auf Basis des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 10.11.1988 (Bl. 396 d.A.) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag regelt u.a. Folgendes:

"...

3. Die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters ergeben sich aus den jeweils gültigen Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der C. Im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit erfolgt eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 03...

1. Entsprechend der in Ziff. 3 vorgenommenen Eingruppierung belaufen sich die monatlichen Bezüge auf:

Gesamtvergütung 2.253,- DM EDV-Tarifgruppenschlüssel ... Eine zu den derzeitigen Tarifbezügen gezahlte Ausgleichszulage kann widerrufen oder gegen Vergütungserhöhungen jeder Art aufgerechnet werden.

5. Die Bezüge werden 13mal jährlich bargeldlos gezahlt.

6. Die C. hat für ihre Betriebsangehörigen eine Zusatzversicherung geschaffen ..."

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal (in der Fassung vom 1. Januar 2007 - einschließlich des Änderungstarifvertrages Nr. 13 Anwendung (im Folgenden: MTV Nr. 14 Boden, Bl. 112 ff d.A.). Zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses der Parteien am 10.11.1988 galt bei der Beklagten u.a. der Vorgängertarifvertrag, der Manteltarifvertrag Nr. 13 für das Bodenpersonal vom 14. Juni 1988 (gültig ab 1. Januar 1988; im Folgenden: MTV Nr. 13 Boden, Bl. 201 ff. d.A.). Beide Regelungswerke enthalten nahezu wortgleich unter Ziff. V und der Bezeichnung "Vergütung" folgende Bestimmungen:

"§ 13 Anspruch auf Vergütung

(1) Der Mitarbeiter hat für die von ihm geleistete Arbeit Anspruch auf die tarifvertraglich vereinbarte Vergütung.

(2) Als Vergütung werden eine Grundvergütung und, sofern die Voraussetzungen vorliegen, folgende Aufschläge gezahlt:

§ 14 Grundvergütung

(1) Die Grundvergütung wird, soweit dieser Tarifvertrag nichts anderes bestimmt, nach dem Wert der Leistung bemessen. Zu diesem Zweck ist jeder vom Tarifvertrag erfasste Mitarbeiter in eine Vergütungsgruppe einzuordnen.

§ 26 Auszahlung der Vergütung

(1) Die feststehenden monatlichen Vergütungsbestandteile (Grundvergütung und Zulagen, ausgenommen Schicht- und Nachtzulagen) werden für den laufenden Monat in der Weise bargeldlos gezahlt, dass sie am 27. eines jeden Monats dem Bank-, Sparkassen- oder Postgirokonto des Mitarbeiters gutgeschrieben werden können."

Außerdem enthalten die Manteltarifverträge, ebenfalls nahezu wortgleich, unter Ziff. VI und der Bezeichnung "Sozialbezüge" folgende Regelungen:

"§ 30 Urlaubs- und Weihnachtsgeld

(2) Alle Mitarbeiter erhalten jährlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von je einer halben Grundvergütung zuzüglich des halben Betrages eventuell zustehender Lehr-, Fremdsprachen- und Schleppzulagen. Die Berechnung des Urlaubsgeldes richtet sich nach der für Monat Mai, des Weihnachtsgeldes nach der für Monat November des betreffenden Jahres zugrunde liegenden vollen Vergütung (Grundvergütung zuzüglich eventueller Lehr-, Fremdsprachen-, ...-Zulagen).

(4) Das Urlaubsgeld wird mit der Maivergütung, das We...

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