Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsanhörung bei Interessenausgleich mit Namensliste

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch bei einem Interessenausgleich mit Namensliste nach § 125 InsO muss dem Betriebsrat mitgeteilt werden, welche Arbeitnehmer der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter als vergleichbar mit dem zu kündigenden Arbeitnehmer angesehen hat und wie es zu der Auswahlentscheidung gekommen ist. Die Mitteilung der Sozialdaten sämtlicher Mitarbeiter und der allgemeinen Grundsätze zur Sozialauswahl genügt ohne Bezug zum konkreten Arbeitnehmer nicht.

2. § 3 MTV Bayerische Metallindustrie ist so auszulegen, dass bei Kurzarbeit ohne Anspruch auf Kurzarbeitergeld nur ein Anspruch auf das Entgelt für 26 Wochenstunden besteht (Abs. 5). Abs. 3 ist in einem solchen Fall nicht anzuwenden.

 

Normenkette

BetrVG § 102; InsO § 125; MTV Bayerische Metallindustrie § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Augsburg (Urteil vom 28.02.2011; Aktenzeichen 2 Ca 1030/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen beider Parteien wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 28.02.2011 – Az.: 2 Ca 1030/09 – wie folgt abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung des Beklagten zu 1 vom 09.11.2009 nicht aufgelöst worden ist.
  2. Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, den Kläger als Fertigungsmitarbeiter weiter zu beschäftigen.
  3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger folgende Zahlungen zu leisten:

    • für November 2009 EUR 1.418,09 brutto abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 1.120,46 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus EUR 297,63 seit 01.12.2009.
    • für Dezember 2009, Januar 2010 und Februar 2010 jeweils EUR 2.191,81 brutto abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von jeweils EUR 1.527,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus jeweils EUR 663,91 seit 01.01.2010, 01.02.2010 und 01.03.2010.
  4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  5. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten zu 1 EUR 773,72 brutto zurückzuzahlen.

Von den Gerichtskosten beider Instanzen tragen der Beklagte zu 1 65%, die Beklagte zu 2 25% und der Kläger 10%. Von den außergerichtlichen Kosten des Kläger im Berufungsverfahren tragen der Beklagte zu 1 65% und die Beklagte zu 2 25%. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 2 im Berufungsverfahren trägt der Kläger jeweils 5%. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung durch den Insolvenzverwalter (Beklagten zu 1), die Weiterbeschäftigung des Klägers sowie über Vergütungsansprüche.

Der am 19.2.1971 geborene Kläger, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, war seit 17.4.2000 bei der Firma G (Insolvenzschuldnerin) in D-Stadt beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag (Bl. 9 d.A.) regelt sich das Arbeitsverhältnis nach den jeweils gültigen Tarifverträgen. Der Kläger arbeitete als Schweißer und war zuletzt seit 2006 in der Abteilung H (Teilefertigung). Er war eingruppiert in die Lohngruppe 6 b des ERA Entgeltrahmentarifvertrages für die Bayerische Metallindustrie.

Über das Vermögen der Firma G wurde am 30.10.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestimmt. Zuvor war er vorläufiger Insolvenzverwalter. In dieser Eigenschaft verhandelte er mit mehreren potentiellen Interessenten über die Fortführung des Betriebes. Am 26.10. und 30.10.2009 fanden Verhandlungen über einen Interessenausgleich statt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde noch am 30.10.2009 der Interessenausgleich und Sozialplan vom Beklagten zu 1 sowie dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats unterzeichnet. Mit diesem Interessenausgleich sind mehrere Anlagen fest verbunden, u.a. eine Namensliste mit den zu kündigenden Arbeitnehmern (Anlage 6). Nach § 3 des Interessenausgleichs soll das Werk D-Stadt mit 385 aktiven Mitarbeitern fortgeführt werden. Zuvor waren es fast 700 Arbeitnehmer. Im Interessenausgleich heißt es u.a.:

㤠6 Sozialauswahl

Betriebsrat D-Stadt und Insolvenzverwalter sind sich darüber einig, dass die Kündigung der in Anlage 7 bezeichneten Personen aus betrieblichen Erfordernissen notwendig ist und die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl hinreichend berücksichtigt wurden.

Bei der zu treffenden Sozialauswahl wurden auch die Grundsätze des § 125 Abs. 1 Ziff. 2 InsO beachtet, wonach eine ausgewogene Personalstruktur geschaffen werden soll.

§ 8 Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG

Dem Betriebsrat D-Stadt wurden im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen Namenslisten übergeben, die folgende Angaben enthielten:

Vorname, Name, Geburtsdatum, Eintrittsdatum, Familienstand, Kinder, ausgeübter Beruf und Sonderkündigungsschutz Ebenfalls in dieser Liste enthalten ist das beabsichtigte Ausscheidedatum.

Dem Betriebsrat wurden die Namenslisten am 28.10.2009 übergeben und mit dem Betriebsrat beraten. Die Bedenken des Betriebsrates wurden soweit möglich mitberücksichtigt.

Die Beratung und die Anhörung zu ...

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