Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung der Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Zurückweisung der Kündigung wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde gemäß § 174 BGB – kein Ausschluss der Zurückweisung nach § 174 Satz 2 BGB – „Unverzüglichkeit” der Zurückweisung. (Einzelfallentscheidung)
Normenkette
BGB §§ 174, 121
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 25.05.2005; Aktenzeichen 22 Ca 7836/04) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 25. Mai 2005 – 22 Ca 7836/04 – abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 04.05.2004 nicht aufgelöst ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Verkaufsberaterin zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung der Beklagten sowie einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses geltend.
Die, nach ihren Angaben, zum Zeitpunkt der Kündigung 55 Jahre alte und mit dem Kläger des Parallelverfahrens, H., verheiratete Klägerin war seit 01.08.1987 in der Filiale M. der Beklagten als Verkaufsberaterin mit einer Vergütung von zuletzt 2.200,– EUR brutto/Monat beschäftigt. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren war der Arbeitsvertrag, auch, der Klägerin in vollem Umfang prämienrelevant ausgestaltet in der Weise, dass für sämtliche getätigten Verkäufe Prämienansprüche entstanden und diese mit dem Grundgehalt verrechnet – ein ggf. darüber hinausgehender Prämienanspruch zusätzlich ausbezahlt – wurden, während ein durch Prämien nicht erreichtes Grundgehalt mit dem Prämiendefizit zwölf Monate weitergeschrieben wurde. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin – wie dasjenige ihres Ehemannes und Kläger des Parallelverfahrens – mit Schreiben vom 04.05.2004 (u. a. Bl. 6 d. A.), das von der „Geschäftsleiterin” dieser Filiale unterzeichnet war, fristlos wegen „unberechtigte(r) Prämienauszahlung”. Mit Schreiben vom 11.05.2004 (Bl. 7 d. A.) wies die Klägerin die Kündigung vom 04.05.2004 „mangels Vorlage einer ausreichenden Original-Vollmacht gemäß § 174 BGB” zurück.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 25.05.2005, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13.06.2005 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses die Klage nach Beweisaufnahme durch Einvernahme mehrerer Zeugen mit der Begründung abgewiesen hat, dass die Kündigung nicht bereits wegen unverzüglicher Zurückweisung gemäß § 174 Satz 1 BGB unwirksam sei, da diese erst nach einer Woche und damit nicht unverzüglich erfolgt und auch deshalb unwirksam gewesen sei, weil die Geschäftsleiterin eines Kaufhauses in der Größe der Kaufhäuser der Beklagten eine Stellung bekleide, die gemeinhin mit Kündigungsvollmachten versehen zu sein pflege (§ 174 Satz 2 BGB). Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 04.05.2005 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam beendet, weil die Klägerin vorsätzlich durch das Akzeptieren der unberechtigten Übertragung von Umsätzen durch ihren ebenfalls bei der Beklagten beschäftigten und dort neben seiner Aufgabe als stellvertretenden Geschäftsleiters im Verkauf tätigen Ehemann dieser zusammen mit ihrem Ehemann einen Schaden von mindestens 3.828,44 EUR zugefügt habe, weshalb die Voraussetzungen einer wirksamen Verdachtskündigung vorlägen. Das Arbeitsgericht glaube der Klägerin und ihrem Ehemann nicht, dass sie nicht gewusst hätten, mit der Umsatzübertragung in zahlreichen Fällen Unrecht zu tun, da beide seit mehr als 17 Jahren bei der Beklagten beschäftigt seien und deshalb deren Betriebsordnung gekannt haben müssten, zumal der Arbeitsvertrag der Parteien hierauf verweise. Die Beklagte habe beweisen können, dass es eine behauptete Erlaubnis der Geschäftsleiterin gegenüber dem Ehemann der Klägerin zu Umsatzübertragungen nicht gegeben habe; allenfalls hätte es eine solche Erlaubnis für Einzelfälle gegeben, während die Klägerin sich nahezu regelmäßig Umsätze ihres Ehemannes als eigene überschreiben habe lassen. Auf Grund der von der Klägerin und ihrem Ehemann vorsätzlich und gemeinschaftlich begangenen schädigenden Verhaltensweisen sei das Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit der Klägerin und ihres Ehemannes verloren, weshalb der Beklagten eine Abmahnung nicht zuzumuten gewesen sei und auch die Interessenabwägung nicht gegen das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin und ihres Ehemannes spreche, auch wenn die langjährige Betriebszugehörig...