Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Berufungsbegründungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Die Klägerin hat Anspruch auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung, da der Beklagte weisungswidrig Waren der Klägerin deutlich unter dem Verkaufspreis an seine eigene und an eine Drittfirma zum Zwecke des Weiterverkaufs veräußert hat.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gegen den Beweis eines Poststempels ist gemäß § 415 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis zulässig.

2. Wirft ein Prozessbevollmächtigter einen Fristverlängerungsantrag gegen 23:00 Uhr in den Nachtbriefkasten ein und stellt er nach Rückkehr in sein Büro beim Notieren der Frist fest, dass er auf dem gerade eingeworfenen Schriftsatz das falsche Aktenzeichen verwendet hat, stützt die Vorlage einer Tankquittung und eines Scheckkartenbeleges, die ein Tankgeschäft in einer gerichtsnahen Tankstelle kurz vor 24:00 belegen, die Aussage des Prozessbevollmächtigten, dass er nach erneutem Ausdruck des Fristverlängerungsantrages mit dem richtigen Aktenzeichen erneut zum Gericht gefahren ist und die zweite Fassung gegen 23:50 Uhr in den Nachtbriefkasten eingeworfen hat, nachdem er sich anhand der zuvor abgeglichenen Uhr seines Handys vergewissert hatte, dass es einige Minuten vor Mitternacht ist.

3. Ein sorgfältiger Prozessbevollmächtigter, der in einem Verfahren mit einem hohen Streitwert eine Frist zu wahren hat, wird auf der Fahrt zum Nachtbriefkasten des Gerichts nicht wenige Minuten vor Mitternacht noch tanken, um seine fristgebundenen Schriftsätze erst im Anschluss daran und folglich nach Mitternacht in den Nachtbriefkasten des Gerichts einzuwerfen.

 

Normenkette

ZPO § 85 Abs. 2, §§ 233, 234 Abs. 1 S. 2, § 415 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Augsburg (Entscheidung vom 18.02.2016; Aktenzeichen 8 AZR 426/14)

 

Tenor

Der Klägerin wird hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Zwischenstreit um die Wiedereinsetzung der Klägerin in die Berufungsbegründungsfrist.

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche geltend. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil vom 06.05.2013, der Klägerin zugestellt am 16.09.2013, legte diese am 16.10.2013 Berufung ein. Mit zwei Schriftsätzen, jeweils datiert auf den 18.11.2013, einer mit dem Az. 9 Sa 833/13, der zweite mit dem Az. 9 Sa 833/12 versehen, beantragte die Klägerin die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Beide Schriftsätze tragen einen Eingangsstempel, der Dienstag, den 19.11.2013 als Tag des Einwurfs in den Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts ausweist.

Mit Beschluss vom 21.11.2013 wurde der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen mit der Begründung, dass die Verlängerung der Frist aufgrund des nach Ablaufs der Begründungsfrist eingegangenen Antrags nicht mehr möglich sei. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung zu verwerfen.

Mit Schriftsatz vom 06.12.2013 versicherte der Klägervertreter anwaltlich, dass beide Fristverlängerungsanträge bereits am Montag, den 18.11.2013 in den Nachtbriefkasten eingeworfen worden seien. Er habe gegen 23:00 Uhr den mit dem Az. 9 Sa 833/12 versehenen Antrag eingeworfen. Nach Rückkehr ins Büro habe er beim Notieren der Frist festgestellt, dass das Aktenzeichen unrichtig sei. Deshalb habe er das Fristverlängerungsgesuch erneut ausgedruckt, diesmal mit dem richtigen Aktenzeichen. Er sei erneut zum Gericht gefahren und habe die zweite Fassung gegen 23:50 Uhr in den Nachtbriefkasten eingeworfen, wobei er sich anhand der Uhren im Auto und des Handys vergewissert habe, dass es einige Minuten vor Mitternacht sei. Die Uhr am Handy habe er zuvor im Büro mit den Uhren in seinem Laptop und im Anlagentelefon abgeglichen. Anschließend habe er an der nahegelegenen ...-Tankstelle in der S.-R. Straße um 23:58 Uhr getankt, mittels Scheckkarte bezahlt und mit seiner Payback-Karte Bonuspunkte erfassen lassen. Die Klägerin gehe davon aus, hinreichend Gründe für eine Wiedereinsetzung vorgetragen zu haben (hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 587 - 591 d. A. verwiesen). Mit weiterem Schriftsatz vom 23.12.2013, eingegangen am 23.12.2013, beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung "gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist". Sie wiederholte dabei ihren Vortrag zum Einwurf der Fristverlängerungsanträge. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 23.12.2013, ebenfalls eingegangen am 23.12.2013, begründete sie die Berufung.

Es wurden dienstliche Stellungnahmen der mit der Leerung des Nachtbriefkastens beauftragten Mitarbeiter eingeholt. Hinsichtlich des Inhalts der Stellungnahmen sowie der ebenfalls vorgelegten Ausdrucke aus dem Nachtbriefkasten wird auf Bl. 665 - 667 d. A. verwiesen.

Die Klägerin macht geltend, ihr sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da der Fristverlängerungsantrag rechtzeitig eingeworfen worden sei. Die dienstlichen Stellungnahmen seien widersprüchlich und wenig aussagekräftig.

D...

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