Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Mutwilligkeit. Vollstreckungsaussicht. Mahnverfahren. Beiordnung Rechtsanwalt
Leitsatz (amtlich)
1. Prozesskostenhilfe ist wegen fehlender Vollstreckungsaussichten nur dann zu versagen, wenn die Aussichtslosigkeit der Vollstreckung endgültig beziehungsweise dauernd oder zumindest auf unabsehbare Zeit feststeht und dem Gläubiger kein Rechtsnachteil zum Beispiel durch Verjährung oder durch Zeitablauf bedingte Beweisschwierigkeiten droht.
2. Prozesskostenhilfe ist wegen Mutwilligkeit zu verweigern, wenn die unbemittelte Partei von verschiedenen gleichwertigen prozessualen Wegen den kostspieligeren beschreitet. Die Einleitung des Mahn- statt des Klagverfahrens ist dabei von ihr nur dann zu verlangen, wenn mit dem Widerspruch des Schuldners nicht zu rechnen ist. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber seine Schuld förmlich anerkannt oder den Arbeitnehmer auf dessen Zahlungsaufforderung vertröstet und baldige Zahlung angekündigt hat. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber vorprozessual die Ansprüche des Arbeitnehmers nicht bestritten hat und nicht erkennbar ist, weitern Zahlungsaufschub zu erreichen und deshalb davon auszugehen ist, dass er gegen den Mahnbescheid Widerspruch einlegen wird.
3. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die unbemittelte Partei ist gemäß § 121 Abs. 2 ZPO vor dem Arbeitsgericht erforderlich, wenn im Zeitpunkt der Entscheidungsreife der weitere Verfahrensablauf nicht absehbar ist, insbesondere ungewiss ist, ob, wie und wann sich der Arbeitgeber gegen die Klage verteidigen wird. Arbeitgerichtliche Verfahren sind auch in einfachen gelagerten Fällen zwischenzeitlich so kompliziert geworden, dass bei einer derartigen Ungewissheit im Regelfall auch eine vermögende Partei die Unterstützung durch die Rechtsantragstelle als nicht ausreichend ansehen und sich daher nicht selbst vertreten, sondern vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit de Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen wird.
4. Ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal der günstigen Kassenlage der öffentlichen Haushalte und der Finanzierbarkeit der Folgen der gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen erhalten die §§ 114 ff. ZPO nicht. Es kann von den Arbeitsgerichten auch nicht in diese Normen hinein interpretiert werden. Sie dürfen daher die allgemein bekannte schlechte Finanzlage der öffentlichen Haushalte und insbesondere deren in den letzen Jahren stark gestiegene Belastung durch die Ausgaben für Prozesskostenhilfe nicht als Anlass dafür nehmen, um die Staatskasse zu entlasten. Es ist vielmehr einzig und allein dem Gesetzgeber vorbehalten, im Rahmen des verfassungsrechtlichen Möglichen
Normenkette
ZPO §§ 114, 121
Verfahrensgang
ArbG Celle (Beschluss vom 27.02.2004; Aktenzeichen 2 Ca 107/04) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Celle vom 27.02.2004 – 2 Ca 107/04 – aufgehoben.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe mit Wirkung ab 20.02.2004 gewährt. Die Bewilligung erfolgt ratenfrei.
Ihm wird Rechtsanwältin P… in S… beigeordnet.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Tatbestand
A.
Der Kläger begehrt Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Zahlungsklage unter Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Der Kläger war vorn 01.11.2003 bis 31.12.2003 bei der Beklagten als Kraftfahrer und Lagerarbeiten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält unter § 5 Vergütung in Ziffer 6 eine doppelte Ausschlussfrist. Danach müssen Entgeltansprüche innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses binnen zwei Monaten nach Beendigung schriftlich geltend gemacht werden. Bleibt die Geltendmachung innerhalb von vier Wochen erfolglos, müssen die Ansprüche binnen zwei Monaten gerichtlich geltend gemacht werden.
Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis für November und Dezember 2003 mit dem vertraglich vereinbarten Bruttolohn von 1.500,– EUR monatlich ab, zahlte den sich ergebenden Nettobetrag jedoch nicht an den Kläger aus. Dieser forderte – wie er in der Beschwerdeinstanz innerhalb der vom Landesarbeitsgericht gesetzten Frist vorgetragen hat – von Anfang Dezember 2003 bis Mitte Januar 2004 die Beklagte wöchentlich mündlich zur Zahlung auf. Er wurde wie seine Kollegen vertröstet und auf zeitnahe Zahlungen verwiesen, die nicht erfolgten. Der Kläger bezog vom 19. bis 31.12.2003 Sozialhilfe in Form von Hilfe von Lebensunterhalt von 504,49 EUR. Mit seiner am 20.02.2004 erhobenen und am 02.03.2004 zugestellten Klage begehrte der anwaltlich vertretene Kläger die Verurteilung der Beklagten, ihm 3000,– EUR brutto abzüglich 504,49 EUR Sozialhilfe nebst Zinsen zu zahlen. Zugleich beantragte er unter Beifügung vollständiger Unterlagen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten. Mit Beschluss vom 27.02.2004 wies das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag einschließlich des Beiordnungsantrages zurück. Es handele sich um einen einfachen Zahlungsanspruch,...