Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung der Betriebsratswahl in einem Gemeinschaftsbetrieb durch sämtliche Arbeitgeberinnen. Unzulässiger Wahlanfechtungsantrag nur einer Arbeitgeberin eines gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen

 

Leitsatz (amtlich)

Führen zwei oder mehrere Arbeitgeber einen Gemeinschaftsbetrieb, dann sind sie nur gemeinschaftlich zur Wahlanfechtung gem. § 19 BetrVG berechtigt. Die Anfechtung nur durch einen Arbeitgeber ist unzulässig.

 

Normenkette

BetrVG §§ 19, 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 19 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 20.03.2015; Aktenzeichen 6 BV 5/14)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 16.01.2018; Aktenzeichen 7 ABR 21/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 20.03.2015 - 6 BV 5/14 - teilweise abgeändert und wie folgt neu tenoriert:

Die Betriebsratswahl des Betriebsrates der Beteiligten zu 4) vom 12.05.2014 wird für unwirksam erklärt.

Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Für die Beteiligte zu 1) wird die Rechtsbeschwerde insoweit zugelassen, als der Antrag, die Betriebsratswahl der Beteiligten zu 1) vom 28./29.04.2014 für unwirksam zu erklären, zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Wahlanfechtung über die Frage, ob bestimmte Betriebsstätten der Beteiligten zu 1. und zu 4. einen gemeinsamen Betrieb bilden und ob der erfolgreichen Wahlanfechtung der Umstand entgegensteht, dass die Beteiligten zu 1. und 4. nicht gemeinsam die in ihren jeweiligen Betriebsstätten vorgenommene Wahl angefochten haben.

Die Beteiligte zu 1. betreibt im Auftrag der Region A-Stadt sowie des Landkreises und der Stadt Hildesheim Rettungsdienstleistungen gemäß § 5 NRettDG. Sie unterhält zu diesem Zweck einzelne Rettungswachen in Gehrden, C-Stadt, Seelze und Gronau sowie vier Fahrzeugstandorte im Stadtgebiet Hildesheim. Ihr Geschäftsführer ist Herr ... . Ihr Sitz ist in A-Stadt, Petersstraße 1.

Die Beteiligte zu 1. beschäftigt ca. 200 Arbeitnehmer. Zusätzlich beschäftigt sie im Bereich Hildesheim 21 Mitarbeiter im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse als Aushilfen. Diese Mitarbeiter haben in der Regel einen Arbeitsvertrag mit der Beteiligten zu 4. Zudem beschäftigt sie in der Region A-Stadt zusätzlich 29 Mitarbeiter im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse als Aushilfen. Auch diese Mitarbeiter haben in der Regel einen Arbeitsvertrag mit der Beteiligten zu 4.

Die Beteiligte zu 4. mit Sitz in der Petersstraße 1 in A-Stadt ist im Bereich Rettungsdienst, Krankentransport und weiterer sozialer Dienste, insbesondere auch Fachdienste, tätig. Geschäftsführer ist ebenfalls Herr ... . Diese Gesellschaft betreibt ebenfalls Rettungswachen, die in A-Stadt am Hauptsitz in der Petersstraße 1 bis 2, aber auch in Bockenem und Sehlem im Landkreis Hildesheim tätig sind. Im Betrieb der Beteiligten zu 4. sind in der Regel ca. 200 Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Beteiligte zu 4. beschäftigt im Bereich A-Stadt/Hildesheim zusätzlich 16 Mitarbeiter im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse als Aushilfen. Diese Mitarbeiter haben in der Regel einen Arbeitsvertrag mit der Beteiligten zu 1.

Am Hauptsitz beider Arbeitgeber in der Petersstraße in A-Stadt sind die Personalabteilungen, die Lohnbuchhaltung und die Verwaltung angesiedelt. Diese werden für beide Unternehmen einheitlich eingesetzt und gemeinsam genutzt.

Am 28. und 29.04.2014 fand für die Beschäftigten der Beteiligten zu 1. eine Betriebsratswahl statt. Wegen der Wählerliste, auf der nur Arbeitnehmer der Beteiligten zu 1. aufgeführt sind, wird auf Bl. 104 ff. d. A. verwiesen. Die Mitarbeiter wählten einen aus sieben Personen bestehenden Betriebsrat. Am 29.04.2014 erfolgte eine öffentliche Stimmauszählung. Wegen der Wahlniederschrift wird auf Bl. 74 d. A. verwiesen. Mit Schreiben vom 06.05.2014 erfolgte die Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

Mit Schriftsatz vom 13.05.2014, bei Gericht eingegangen am 20.05.2014, focht die Beteiligte zu 1. die Betriebsratswahl an.

Am 12.05.2014 fand bei der Beteiligten zu 4. ebenfalls eine Betriebsratswahl statt. Auch hier wählten die Arbeitnehmer einen aus sieben Personen bestehenden Betriebsrat. Auf der Wählerliste waren nur Arbeitnehmer der Beteiligten zu 4. aufgeführt. Am gleichen Tag erfolgte die öffentliche Stimmauszählung. Mit Aushang vom 16.05.2014 wurde am 17.05.2014 das Wahlergebnis bekannt gegeben. Mit Antragsschrift vom 30.05.2014, bei Gericht am selben Tage eingegangen, focht die Beteiligte zu 4. die Betriebsratswahl an. Dieses Verfahren wurde zunächst bei dem Arbeitsgericht Hannover zum Aktenzeichen 6 BV 7/14 geführt.

In beiden von den Beteiligten zu 1. und 4 jeweils getrennten Verfahren haben sie die Ansicht vertreten, die Wahlen seien unter Verkennung des Betriebsbegriffes erfolgt und daher unwirksam. Sie haben die Auffassung vertreten, es liege ein gemeinsamer Betrieb zweier Unternehmen vor. Wegen der Verkennung des Betriebsbegriffes seien die Zahl d...

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