Leitsatz (amtlich)
Ein Prozesskostenhilfeantrag ist i. S. der o.g. Vorschrift nur solage „anhängig”, als über ihn nicht bestandskräftig entschieden worden ist.
Normenkette
BRAGO § 23 Abs. 1 S. 3 letzter Teilsatz
Verfahrensgang
ArbG Verden (Aller) (Beschluss vom 03.12.1998; Aktenzeichen 1 Ca 732/97) |
Tenor
Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Verden (Aller) vom 03. Dezember 1998 – 1 Ca 732/97 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die aufgrund des Beschwerdewertes von DM 212,75 statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden und mithin insgesamt zulässig.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet, weil das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung über die Änderung gem. § 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO zu Recht eine 15/10-Vergleichsgebühr für die im Vergleich vom 13. März 1998 zusätzlich zu den rechtshängigen Anträgen geregelten Sachverhalte angesetzt hat.
Nach § 23 Abs. 1 S. 3 letzter Teilsatz BRAGO würde dem Antragsteller nur eine 10/10-Gebühr zustehen, „wenn ein Verfahren über die Prozeßkostenhilfe anhängig” wäre.
Das Prozeßkostenhilfeverfahren war am 13. März 1998 wegen der mit Wirkung per 03. Juni 1997 bewilligten Prozeßkostenhilfe rechtlich nicht mehr „anhängig”.
Der von den Landesarbeitsgerichten Köln (13. Oktober 95 – 8 Ta 210/95 – in AnwBl 96, 290), Schleswig-Holstein (07. August 1997 – 2 Ta 144/97 – in LAGE § 23 BRAGO Nr. 5) und Nürnberg (04. November 1997 – 8 Ta 204/97 – in JurBüro 98, 190 f. mit ablehnender Anmerkung von Enders a.a.O. S. 191) eingenommene entgegengesetzte Standpunkt wird von der beschließenden Kammer nicht geteilt.
In keiner der genannten Entscheidungen wird der eindeutige Wortlaut der Vorschrift berücksichtigt. Ein Verfahren ist nur solange anhängig, als nicht über den zugrundeliegenden Antrag bestandskräftig entschieden worden ist. Das LAG Baden-Württemberg (14. Juli 1995 – 1 Ta 37/95 – in JurBüro 95, 583–584) hat die allgemein gültige Regelung zur „Anhängigkeit” hierzu im einzelnen dargestellt. Diesen Ausführungen schließt sich das Beschwerdegericht an. Anhängig ist ein Antrag, wenn über eine prozessuale Willenserklärung einer Partei eine gerichtliche Entscheidung verlangt wird (LAG Baden-Württemberg a.a.O.). Die „Anhängigkeit” endet mit der Entscheidung.
Das Beschwerdegericht folgt daher dem Beschluss des LAG Düsseldorf (7 Ta 3/97 vom 06. Juni 1997 in LAGE, § 23 BRAGO Nr. 4 oder vom 10. Juni 1997 in JurBüro 97, 585 f.).
Die Rechtslage wäre möglicherweise anders zu beurteilen, wenn mit dem Bezirksrevisor davon ausgegangen werden müßte, dass die Regelung des o.g. letzten Teilsatzes bei der hier vertretenen Ansicht jeden Sinn verlieren würde. Dies ist nicht der Fall.
Liegt in erster Instanz ein bloßer Antrag auf PKH (Ha-Verfahren) vor und gelingt es dem Richter in diesem Verfahren einen Vergleich herbeizuführen, so wäre die Vergleichsgebühr gemäß dem o.g. letzten Teilsatz auf 10/10 beschränkt, obwohl über den eigentlichen Streitgegenstand (z. B. Wirksamkeit einer Kündigung) kein Rechtsstreit vorläge. Entsprechendes gilt im Rechtsmittelzug, wenn eine in erster Instanz unterlegene Partei für eine einzulegende Berufung lediglich Prozeßkostenhilfe beantragt hat (SHa-Verfahren) und in diesen Verfahren anschließend aufgrund mündlicher Verhandlung ein Vergleich geschlossen wird.
Hätte der Gesetzgeber gewollt, dem im PKH-Verfahren beigeordneten Rechtsanwalt nicht nur die geringeren Gebühren nach § 123 BRAGO zukommen zu lassen, sondern außerdem noch für den Mehrvergleich statt der 15/10-Gebühr nur eine 10/10-Gebühr zuzubilligen, so hätte er das Gesetz anders formulieren müssen.
Die Situation des PKH-Anwaltes unterscheidet sich hier nicht von der Lage eines ohne Prozeßkostenhilfe tätigen Rechtsanwaltes. Beide sollen sich darum bemühen, das Gericht mit möglichst wenigen Sachanträgen zu beschäftigen. Das Gericht stellt praktisch für die Erstreckung einer Prozeßkostenhilfe auf einen über weitere und nicht rechtshängige Gegenstände abzuschließenden Vergleich keine weiterführende Prüfung an, wird also faktisch nicht weiter tätig. Die Bedürftigkeit der Partei wurde abschließend bereits mit der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe für die rechtshängigen Ansprüche geprüft. Die Erfolgsaussichten werden faktisch auch nicht weiter geprüft. Es findet allenfalls eine höchst summarische Prüfung darüber statt, ob die Verfolgung weiterhin zu regelnder und nicht rechtshängiger Ansprüche als mutwillig erscheint. Unstrittig ist, dass einer Partei, der für einen der genannten Vergleiche Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war, erneut einen Prozeßkostenhilfeantrag stellen muß, wenn diese Partei nach Widerruf des genannten Vergleiches die dort mit verglichenen Ansprüche nunmehr rechtshängig macht.
Abschließend wird bemerkt, dass die 15. Kammer des LAG Niedersachsen auf Anfrage mitgeteilt hat, dass sie den in ihrem Beschluss vom 12. Januar 1999 enthaltenen Standpunkt nicht aufrechterhält (15 Ta 19/99 als Bestätigung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Celle...