Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde des Betriebsrats gegen die Feststellung der Unwirksamkeit einer Betriebsratswahl. Zuordnung einer Betriebseinheit zu einem Unternehmen
Leitsatz (amtlich)
§ 18 Abs. 2 BetrVG lässt auch eine Teilklärung zu und braucht nicht alle in Betracht kommenden Teileinheiten zu umfassen.
Normenkette
BetrVG § 18 Abs. 2, § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Entscheidung vom 06.09.2023; Aktenzeichen 3 BV 1/23) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 06.09.2023 - 3 BV 1/23 - wird zurückgewiesen.
Bezüglich der Feststellungen zu Ziffern 2 und 3 dieses Beschlusses wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der Betriebsratswahl für den Bereich B. sowie um die Betriebsstruktur bei der Antragstellerin.
Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) mit Sitz in B. gehört zur J., welche international Dienstleistungen im Bereich der Bestellung und Lieferung von Essen von Restaurants an Kunden anbietet. Sie stellt eine Plattform, die Restaurants mit potentiellen Kunden verbindet und Kunden die Bestellung von Essen bei den Restaurants ermöglicht. In Deutschland ist diese Webseite bekannt unter L.. Die Restaurants können auf eigene Fahrer zur Lieferung der Essensbestellung oder auch Fahrer der Arbeitgeberin zurückgreifen.
Die Arbeitgeberin beschäftigt in den Städten H., B., B., G., H. und K. Mitarbeiter. Nach durchgeführten Wahlen im Herbst/Winter 2022/2023 verfügen nunmehr die Organisationseinheiten H., H., B., B. über je einen eigenständigen Betriebsrat. In G. sowie in H. haben sich nunmehr die Wahlvorstände - die Beteiligten zu 4. und 5. - gebildet.
In B. und G. werden nur Fahrerinnen und Fahrer durch die Arbeitgeberin zur Essensauslieferung beschäftigt. Ein Organisationsbüro oder ein leitender Mitarbeiter, welcher sich um die Organisation der Belegschaft und die sozialpersonellen Angelegenheiten kümmert, besteht nicht bzw. ist weder vor Ort in B. noch in G. vorhanden. Eine Hauptumschlagbasis besteht in H. Dort werden Lagerflächen und Büroräumlichkeiten für die Arbeitnehmer der Abteilung "Local Operations" vorgehalten.
Die Unternehmenskommunikation zwischen den Mitarbeitern erfolgt hauptsächlich digital. Die Kontaktmöglichkeit ist über ein Kontaktformular der unternehmenseinheitlich verwendeten App sowie per E-Mail gegeben. Auch die Betreuung und Steuerung der Fahrer vor Ort erfolgt regelmäßig digital per E-Mail oder App. Dort, wo es eine Hauptumschlagbasis gibt, beispielsweise in H., sind bestimmte Funktionen angesiedelt.
Es sind Büro- und Sozialeinrichtungen vorhanden und die dort tätigen Mitarbeiter führen verschiedene Verwaltungs- und Back-Office-Tätigkeiten aus. Neben den HUB-Citys existieren Remote-Citys - beispielsweise G. oder B. -, dort existiert kein HUB, sondern es werden dort die ausliefernden Kuriere beschäftigt. Sowohl Arbeitsunfähigkeitsmeldungen als auch Urlaubsanträge erfolgen über die Scoober-App. Auch Schichtplanwünsche tragen die Kuriere in die Scoober-App ein. Die Personal- und Schichtplanung erfolgt für jeden Standort gesondert, mithin für Göttingen, B. und H. Kuriere der jeweiligen Städte fahren ausschließlich in diesen Städten und liefern ausschließlich in diesen bzw. dem zu diesen Städten gehörenden Umland aus. Am Unternehmenssitz in B. sind Zentralfunktionen angesiedelt wie z. b. der für die Fahrerinnen und Fahrer zuständige Personalbereich. Vertragliche Schriftstücke, wie beispielsweise Arbeitsverträge, Abmahnungen oder Kündigungen werden zentral in B. verfasst und erstellt und von dort aus versandt.
Am 07.07.2022 bestellte sich der Wahlvorstand für die Organisationseinheit B. und forderte mit Email vom 05.10.2022 (Bl. 180 d. A.) Auskünfte gem. § 2 Wahlordnung für die Wählerliste an. Daraufhin wurden seitens eines Mitarbeiters aus B. die Fahrer und Fahrerinnen aus B. mitgeteilt (Email vom 21.11.2022 Bl. 155 -157 d. A., Wählerliste B. Bl. 147 - 154 d. A.).
Am 15.12.2022 fand im Liefergebiet B. die Betriebsratswahl statt, aus welcher der Beteiligte zu 2) hervorging. Mit Emails vom 19.12.2022 (Bl. 11 und 12 d. A.) und der Wahlniederschrift (Bl. 26 - 28 d. A.) wurde das Wahlergebnis den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie der Geschäftsleitung mitgeteilt. Die konstituierende Sitzung fand am 22.12.2022 statt.
Am 27.02.2023 wurde für den Bereich H. ein eigener Betriebsrat (Beteiligter zu 3) gewählt (Wahlunterlagen sowie Wahlbekanntmachung: Bl. 140 - 146 d. A.). Die Arbeitgeberin teilte dem Wahlvorstand H. zuvor die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus H. zum Aufstellen der Wählerliste mit. Diese Wahl wurde nicht angefochten.
Mit Faxeingang vom 02.01.2023 hat die Arbeitgeberin u. a. die Nichtigkeit und hilfsweise die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl für das Liefergebiet B. geltend gemacht. Sie verwendete hierbei ein E-Fax, es handelt sich hierbei um ein Email-to-Fax-Programm. Die Unterschrift der Frau K. wurde digital ...