Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Frauenbeauftragten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tätigkeit einer Frauenbeauftragten in einer niedersächsischen Samtgemeinde mit ca. 25.000 Einwohnern erfüllt in der Regel die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b BAT/VKA.
2. Da die Frauenbeauftragte nach § 5a Abs. 5 NGO weisungsunabhängig arbeitet, entscheidet sie über die Schwerpunkte ihrer Arbeit mit dem Ziel der Gleichberechtigung (§ 5 a Abs. 4 NGO). Die Eingruppierung hängt deshalb nicht davon ab, welche Tätigkeiten ihr im Einzelnen mit welchen Zeitanteilen übertragen worden sind. Maßgelblich ist, in welchen Bereich sie in der Funktion der Frauenbeauftragten unter den konkreten Bedingungen der Stadt bzw. Gemeinde in ihrem Aufgabebereich Einfluss nehmen kann.
Normenkette
NGO § 5a
Verfahrensgang
ArbG Lüneburg (Urteil vom 29.11.2002; Aktenzeichen 1 Ca 290/02E) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeits- gerichts Lüneburg vom 29.11.2002 – 1 Ca 290/02 E – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin, die bei der Beklagten, einer Samtgemeinde mit ca. 25.000 Einwohnern, seit Oktober 2000 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,25 Wochenstunden als hauptamtliche Frauenbeauftragte beschäftigt ist. Kraft einzelvertraglicher Bezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Bundesangestelltentarifver- trag (BAT) und den ihn ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträge in dem Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände
(VKA) Anwendung.
Die Beklagte zahlt der Klägerin eine Vergütung nach Vergütungs-gruppe V b BAT/VKA. Mit Schreiben vom 15.11.2001, bei der Beklagten am 16.11.2001 zugegangen, beantragte die Klägerin die rückwirkende Erhöhung der Arbeitsvergütung nach der Vergütungs-gruppe IV a BAT/VKA. Die Beklagte lehnte dieses Begehren ab.
Die Klägerin ist staatlich diplomierte Sozialpädagogin. Durch diese Ausbildung verfügt sie über breitgefächerte Kenntnisse im Bereich der Soziologie, des Rechts, der Pädagogik, Psychologie und Psychotherapie, in Teilbereichen der Sozialmedizin, der Ver waltung, Kriminologie und Medien. In einer dreijährigen berufs-begleitenden Weiterbildung erwarb sie die Qualifikation als systematische Familientherapeutin. Ferner absolvierte sie ein sechssemestriges Lehramtsstudium und verfügt dadurch über Kenntnisse der Pädagogik und Didaktik. Die Klägerin nahm an zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen teil.
Bei der Beklagten nimmt die Klägerin die Aufgabe einer haupt-amtlichen Frauenbeauftragten nach Maßgabe des § 5 a der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) wahr. Wegen der Einzel-heiten der Beschreibung ihrer Tätigkeit wird auf Seite 9 bis 19 der Klageschrift sowie auf deren Anlagen K 12 bis K 17 Bezug genommen.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin das Ziel der Höher-gruppierung in die Vergütungsgruppe IV a BAT/VKA weiter. Sie hat dazu die Auffassung vertreten, um die ihr übertragenen Aufgaben wahrnehmen zu können, benötige sie Kenntnisse und Fähigkeiten in besonderer Breite in den unterschiedlichen Bereichen des Rechts und der Gesellschaft. Sie müsse sich in alle Verwaltungsbereiche der Kommune einarbeiten. Ihre Tätigkeit reiche von der Mitwirkung bei Personalentscheidungen über die Einflussnahme auf Rats- und Ausschussarbeit bis zur konzeptionellen Arbeit, Öffent-lichkeitsarbeit und Kontaktpflege. Diese Aufgaben erforderten Grundkenntnisse in den Methoden verschiedener Wissenschafts-disziplinen (Politikwissenschaften, Soziologie, Erziehungs-wissenschaften, Jura, Psychologie, Sprachwissenschaften). Von ihr würden Rechtskenntnisse aus den Bereichen Arbeitsrecht, Ehe- und Familienrecht, Sozialhilferecht, Arbeitsförderungsrecht usw. erwartet. Für die Öffentlichkeitsarbeit seien publizistische Kenntnisse nötig. Die besondere Bedeutung ihrer Tätigkeit erschließe sich aus dem Verfassungsauftrag des Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz (GG). Ihre Tätigkeit sei nicht nur für die Be- schäftigten der Beklagten, sondern auch für die Situation der Frauen in der Gemeinde von großer Tragweite.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie seit dem 01.04.2001 in die Vergütungsgruppe IV a BAT/VKA einzugruppieren und entsprechend zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
und die von ihr vorgenommene Eingruppierung als tarifgerecht angesehen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 29.11.2002 stattgegeben, soweit der Anspruch nicht nach § 70 BAT verfallen ist. Dies betrifft die Zeit bis zum 31.05.2001. Ab dem 01.06.2001 könne die Klägerin Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV a BAT/VKA beanspruchen, weil die in einem einheitlichen Arbeits-vorgang zusammenzufassenden Tätigkeiten der Klägerin über die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a BAT/VKA die Heraushebungsmerkmale der darauf aufbauenden Fallgruppen IV b Fallgruppe 1 a BAT/VKA sowie IV a Fallgruppe 1 b BAT/VKA erfüllten. Die von ...