Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Schwerbehinderte. Insolvenz
Leitsatz (amtlich)
§ 85 SGB IX gilt auch bei einer Kündigung im Insolvenzverfahren. Eine Insolvenzanfechtung des Antrages auf Feststellung des Grades der Behinderung nach den §§ 130, 133 InsO kommt nicht in Betracht.
Normenkette
InsO §§ 129-130, 133 Abs. 1 S. 1, § 85 SGB IX
Verfahrensgang
ArbG Osnabrück (Urteil vom 02.08.2002; Aktenzeichen 3 Ca 447/02) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 02.08.2002, Az. 3 Ca 447/02, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen eine ihm gegegenüber ausgesprochene fristgerechte betriebsbedingte Kündigung vom 29.05.2002 zum 31.08.2002. Er hat erstinstanzlich darüber hinaus seine Weiterbeschäftigung über den Zeitpunkt des Kündigungstermins hinaus verlangt.
Der Beklagte ist der vom Amtsgericht Osnabrück bestellte Insolvenzverwalter über das Vermögen der J.. Die Gemeinschuldnerin betrieb die Herstellung und den Vertrieb von Dampfkesseln, deren Montage und damit im Zusammenhang stehende Geschäfte.
Der Kläger war bei der Gemeinschuldnerin seit 1975 zu einer Bruttovergütung von zuletzt 2.700,– EUR beschäftigt. Er ist am geboren, verheiratet und hat zwei Kinder.
Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde zunächst am 21.02.2002 das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte auch zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Durch Beschluss vom 30.04.2002 wurde sodann das Insolvenzverfahren eröffnet (Blatt 18/19, 23/24 d. A.).
Am 25.02.2002 hatte der Beklagte eine Betriebsversammlung einberufen und Informationen über die wirtschaftliche Lage und daraus resultierende arbeitsrechtliche Konsequenzen erläutert.
Am selben Tag stellte der Kläger einen Antrag auf Neufestsetzung seines Grades der Behinderung. Durch Bescheid vom 26.04.2002 wurde der Grad der Behinderung durch das Versorgungsamt O. auf 60 % neu festgesetzt. Wegen des Inhalt des Beschlusses wird auf diesen (Blatt 20 bis 22 d. A.) verwiesen.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.05.2002 zum 31.08.2002 aus betriebsbedingten Gründen auf. Hiergegen wendete sich der Kläger mit der am 19.06.2002 beim Arbeitsgericht Osnabrück eingegangenen Klage, die dem Beklagten am 21.06.2002 zugestellt wurde. In der Klage wies der Kläger auf den Grad der Behinderung von 60 % hin.
Eine Zustimmung des Integrationsamtes vor Ausspruch der Kündigung liegt nicht vor.
Der Beklagte hat mit dem Betriebsrat sowohl einen Interessenausgleich wie auch Sozialplan unter dem Datum des 24.05.2002 beschlossen. Wegen des Inhalts wird auf diese (Blatt 25 bis 28 d. A.) verwiesen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ein Grund zur Kündigung nicht bestanden habe. Zudem sei die Kündigung aus formellen Gründen wegen der nicht vorhandenen Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 85 SGB IX unwirksam.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 29.05.2002 nicht beendet worden ist,
- im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte habe den Beschluss gefasst, den Betrieb zu schließen. Einzelheiten ergäben sich aus dem Interessenausgleich und Sozialplan.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich nicht auf seine Schwerbehinderteneigenschaft berufen, nachdem er die Insolvenzanfechtung nach § 131 InsO mit Schriftsatz vom 02.08.2002 erklärt habe. Der Kläger habe den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt im Anschluss an die durchgeführte Betriebsversammlung. Der Antrag des Klägers habe nur dazu gedient, gegenüber anderen Arbeitnehmern rechtliche Vorteile zu erlangen.
Die Insolvenzanfechtung greife durch, weil der Kläger gegenüber den übrigen Insolvenzgläubigern eine Sicherung erlange, die ihm zu dieser Zeit nicht mehr zugestanden habe. Der vom Kläger erlangte Vorteil sei von der Insolvenzordnung nicht gedeckt und unterliege deshalb der Insolvenzanfechtung. Dieses werde auch daran deutlich, dass der Grad der Behinderung mit 60 % nicht durch eine plötzliche Erkrankung oder Behinderung erfolgt sei, sondern offensichtlich durch langwierige Erkrankungen, die mit Sicherheit schon vor dem Antrag vom 25.02.2002 vorgelegen hätten.
Durch Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 02.08.2002 wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 29.05.2002 nicht beendet worden ist. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zu 1/4, dem Beklagten zu 3/4 auferlegt und der Streitwert auf 10.800,– EUR festgesetzt. Wegen des Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses (Blatt 54 bis 67 d....