Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifautomatik. betriebliche Übung bei Leistung aufgrund vermeindlicher tariflicher Verpflichtung. Gleichstellungsabrede. Keine automatische oder im Wege der betrieblichen Übung erfolgte Übernahme der Entgelterhöhungen nach BAT für den Zeitraum 2003, 2004 und 2005 in den DRK-TV-West

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die im BAT vereinbarten Entgelterhöhungen ab dem 01.01.2003, 01.01.2004 und 01.05.2004 werden nicht automatisch in den DRK-TV-West übernommen; insoweit ist ein konstitutiver Übertragungsakt erforderlich (BAG 07.06.2006 – 4 AZR 584/05 und 4 AZR 484/05.

2. Bestätigung der Gleichstellungsrechtssprechung des BAG für vor dem 01.01.2002 abgeschlossene Arbeitsverträge – BAG 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, AP Nr. 39 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag

3. Gewährt der Arbeitgeber Entgelterhöhungen aufgrund vrmeindlicher tarifvertraglicher Verpflichtung, entsteht keine betriebliche Übung (Einzelfallentscheidung, im Ergebnis Abweichung von LAG Niedersachsen, 7 Sa 1865/04, juris).

 

Normenkette

DRK-TV-West § 67 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen 8 Ca 350/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 16.11.2004 – 8 Ca 350/04 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zum einen dazu berechtigt war, eine ab 01.01.2003 tatsächlich geleistete Erhöhung der Vergütung um 2,4 Prozent ab Januar 2004 wieder rückgängig zu machen, und ob der Beklagte zum anderen verpflichtet ist, dem Kläger ab 01.01.2004 und ab 01.05.2004 jeweils eine weitere Vergütungserhöhung von einem Prozent zu gewähren.

Der Kläger ist auf Grund des schriftlichen Arbeitvertrages vom 05.02.1979 bei dem Beklagten als Mitarbeiter im Krankentransport beschäftigt. Unter dem 01.01.1991 vereinbarten die Parteien eine Änderung zum Arbeitsvertrag, nach dessen Ziffer 1. mit Wirkung vom 01.01.1991 auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildenden des Deutschen Roten Kreuzes in der jeweiligen Fassung entsprechende Anwendung findet. Der Kläger ist seit 1979 Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Der Beklagte war Mitglied der DRK-Landestarifgemeinschaft in Niedersachsen GbR (im Folgenden: DRK LTG Nds.). Mit Schreiben vom 17.12.2002 erklärte der Beklagte den Austritt aus der Landestarifgemeinschaft zum 31.03.2003.

Die DRK LTG Nds. ist Mitglied der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes, die wiederum Tarifvertragspartei auf Arbeitgeberseite des DRK-Tarifvertrages (West) ist. Die Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes hat im Jahre 1984 mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), deren Rechtsnachfolgerin die Gewerkschaft ver.di ist, eine „Vereinbarung über Rahmenbedingungen für den Abschluss von Tarifverträgen” (vgl. Bl. 60 bis 67 d. A.) abgeschlossen.

In dieser Vereinbarung ist u. a. Nachstehendes festgelegt:

㤠2

Übereinstimmendes Ziel der Vertragsparteien ist es, Arbeitskämpfe im Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK nach § 3 Abs. 1 zu vermeiden.

§ 3 Abs. 2

Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch sind (Katalog A), werden zwischen den Vertragspartnern keine Verhandlungen geführt. Die Möglichkeit, in beiderseitigem Einvernehmen Verhandlungen zu führen, bleibt unberührt. „

§ 67 Abs. 3 des DRK-Tarifvertrages (West) (DRK-TV) lautet wie folgt:

„Soweit Regelungen gemäß § 3 der Rahmenbedingungen (Katalog A) zwischen den Tarifvertragsparteien nicht zu verhandeln sind, bedarf es keiner formalen Kündigung des Tarifvertrages, um die geänderten Vorschriften für den öffentlichen Dienst als Tarifrecht für das DRK zu übernehmen.”

Im 78. Änderungstarifvertrag zum Bundesangestelltentarifvertrag (BAT), abgeschlossen am 09.01.2003, ist für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes eine Erhöhung der Löhne und Gehälter ab 01.01.2003 in Höhe von 2,4 Prozent, ab 01.01.2004 um ein weiteres Prozent sowie ab 01.05.2004 um ein weiteres Prozent vorgesehen.

In einem Schreiben des Generalsekretariats des Deutschen Roten Kreuzes vom 14.01.2003 an alle DRK-Landesverbände wird Nachstehendes ausgeführt :

„Gemäß der beim Abschluss des DRK – Tarifvertrages im Jahre 1984 mit den Gewerkschaften vereinbarten Tarifautomatik ist das Tarifergebnis der aktuellen Lohnrunde des Öffentlichen Dienstes für die tarifgebundenen Verbände automatisch, ohne weitere Verhandlungen in den DRK-Tarifvertrag West zu übernehmen.” (vgl. Bl. 63 d. A.).

Der Beklagte gewährte dem Kläger sowie ihren übrigen Beschäftigten zunächst ab 01.01.2003 eine Gehaltserhöhung von 2,4 Prozent.

Unter dem Datum des 19.11.2003/19.12.2003 schlossen die Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes sowie die Gewerkschaft ver.di den 23. Tarifvertrag zur Änderung des Tarifvertrages über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kre...

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