Entscheidungsstichwort (Thema)

Schlechterstellung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern in einer tarifvertraglichen Besitzstandsregelung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die tarifvertragliche Besitzstandsregelung des ETV-Arb Nr. 75 d (Deutsche Post), die zwischen befristet und unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern an einem bestimmten Stichtag differenziert, verstößt weder gegen Art. 3 GG noch gegen § 4 Abs. 2 TzBfG

2. Ein Sachgrund für die differenzierende Regelung liegt darin, dass die Stichtagsregelung Teil eines tariflichen Gesamtpaketes ist, weshalb an die Systemgerechtigkeit dieser tarifvertraglichen Regelung keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen.

3. Auch finanzielle Erwägungen können eine differenzierende Regelung rechtfertigen.

4. Es stellt keine willkürliche Benachteiligung befristet beschäftigter Arbeitnehmer dar, wenn die Tarifvertragsparteien an einem Stichtag befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit den Arbeitnehmern gleichstellt, die nach dem Stichtag ein Arbeitsverhältnis begründen.

5. Die tarifvertragliche Besitzstandsregelung des ETV-Arb Nr. 75 d (Deutsche Post) honoriert nicht die Betriebstreue in der Vergangenheit, sondern soll Anreiz für künftige Betriebstreue schaffen und einer Demotivation der Beschäftigten entgegenwirken.

6. Es widerspricht Sinn und Zweck einer Besitzstandsregelung, wenn der bisherige Besitzstand nicht als sachlicher Differenzierungsgrund anerkannt werden kann.

 

Normenkette

GG Art. 3; TzBfG § 4 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 22.11.2001; Aktenzeichen 12 Ca 430/01)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 22.11.2001, 12 Ca 430/01 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer tarifvertraglichen Besitzstandsklausel, die zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen zu einem bestimmten Stichtag differenziert.

Die Klägerin ist seit dem 20. März 2000 in der Niederlassung der Beklagten Produktion als Briefverteilerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst mehrfach befristet, zuletzt gemäß Arbeitsvertrag vom 06.12.2000 für die Zeit vom 27. Dezember bis zum 31. Dezember 2000. Als Befristungsgrund wurde „Urlaubs- und Krankenvertretung” angegeben. Die Wirksamkeit der Befristung wurde von der Klägerin nicht angegriffen. Seit dem 01. Januar 2001 besteht zwischen den Parteien aufgrund des Arbeitsvertrages vom 01.12.00 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einer Arbeitszeit von 15 Wochenstunden.

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Post AG Anwendung.

Die und die Deutsche Postgewerkschaft schlossen am 21.03.2000 eine „Eckpunkte-Vereinbarung” (Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 05.09.200). Diese umfasst eigenständige tarifvertragliche Regelungen zur Gestaltung der Arbeitszeit, als Sofortmaßnahmen zur Entlastung in der Zustellung die Übernahme von 1200 befristet Beschäftigten in unbefristete Arbeitsverhältnisse, Grundsätze der Neuregelung der Entlohnung einschließlich einer Besitzstandsregelung, den Ausschluss von Fremdvergabe von Zustellbezirken an ein anderes Unternehmen bis zum 31. Dezember 2003, sowie den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum 31. Dezember 2004.

Entsprechende Tarifverträge wurden in der Folgezeit abgeschlossen, darunter am 28. April 2000 der Tarifvertrag Nr. 75 d mit Wirkung ab 01. Januar 2001. Dieser Tarifvertrag beinhaltet eine deutliche Absenkung der Vergütung. Ferner wurden folgende Besitz- und Rechtsstandsregelungen vereinbart:

§ 23

Geltungsbereich für § 24 und § 25

Für Arbeiter, die am 31.12.2000 bereits und am 01.01.2001 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur standen und stehen, finden die Regelungen der §§ 24 und 25 für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses Anwendung.

§ 24

Besitzstand Lohn

Der Arbeiter erhält eine monatlich zu zahlende Besitzstandszulage (Besitzstandszulage Lohn) gem. Anlage 6.

§ 25

Besitzstandszulagen, Zuschläge und Entschädigungen

Der Arbeiter erhält eine monatlich zu zahlende Besitzstandszulage (Besitzstandszulage Zuschläge) gemäß Anlage 9.

Seit Januar 2001 bezieht die Klägerin eine Vergütung auf der Basis des neuen Entgelttarifvertrages. Besitzstandszulagen wurden ihr nicht gewährt mit der Begründung, sie habe sich am 31.12.2000 nicht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten befunden.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage und macht im Wesentlichen geltend, die Nichtzahlung der Besitzstandszulagen verstoße gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 Abs.2 Teilzeitbefristungsgesetz und gegen Artikel 3 Grundgesetz.

Das Arbeitsgericht hat durch ein der Klägerin am 11.02.02 zugestelltes Urteil vom 22. November 2001, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 99–111 d.A.), die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es, soweit im Beru...

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