Rechtsmittel eingelegt unter dem Aktenzeichen: 10 AZR 64/08
Entscheidungsstichwort (Thema)
Differenzierungsklausel. Zur Zulässigkeit von Differenzierungsklauseln
Leitsatz (amtlich)
Einfache Differenzierungsklauseln in einem Tarifvertrag, verstoßen nicht gegen die negative Koalitionsfreiheit des Art. 9 III GG. Sie sind zulässig (gegen BAG, GS 1/67 – Beschluss vom 29.11.1967).
Normenkette
GG Art. 9 III
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 24.05.2007; Aktenzeichen 4 Ca 9/07) |
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 24.05.2007 – Az.: 4 Ca 9/07 wird abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Sonderzahlung in Höhe von 535,00 EUR brutto.
Die Klägerin ist seit dem 01.06.1999 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Pflegekraft auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 18.06.1999 beschäftigt. Die Arbeitsvergütung richtet sich nach dem einschlägigen Tarifvertrag für die Arbeiterwohlfahrt BMT – AW II Gruppe 4, Fallgruppe 5. Weiter heißt es in § VII des Arbeitsvertrages: „Im Übrigen gelten die Bestimmungen des anzuwendenden Tarifvertrages in seiner jeweils gültigen Fassung. Ein Exemplar dieses Tarifvertrages liegt in der Einrichtung zur Einsichtnahme aus.”
Ursprünglich sah der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag eine Sonderleistung vor. Nach Änderung dieses Tarifvertrages entfiel die Sonderleistung. Stattdessen vereinbarten unter dem 11.09.2006 die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di einen Tarifvertrag zum Ausgleich des strukturellen Defizits der Unternehmensgruppe des ehemaligen AWO-Bezirksverbandes Weser-Ems. § 3 Abs. 1 dieses Tarifvertrages (im Folgenden: TV AstD) lautet wie folgt: „Als Ersatzleistung wegen des Verzichts auf die Sonderzahlung gemäß § 19 des Haustarifvertrages der AWO-Gruppe erhalten die ver.di-Mitglieder der AWO-Gruppe in jedem Geschäftsjahr zum 31. Juli eine Ausgleichszahlung in Höhe von 535,00 EUR brutto je Vollzeitkraft gemäß tariflicher Wochenarbeitszeit.”
Die Klägerin ist nicht Mitglied der Gewerkschaft ver.di und erhielt im Jahr 2006 eine entsprechende Zahlung nicht.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin – soweit hiervon Interesse – die Sonderzahlung in Höhe von 535,00 EUR brutto für das Jahr 2006 begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Differenzierungsklausel in dem Tarifvertrag sei unwirksam.
Sie hat – soweit hier von Interesse – beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Ausgleichszahlung in Höhe von 535,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die infrage stehende tarifliche Regelung sei unbedenklich.
Mit Urteil vom 24.05.2007 hat das Arbeitsgericht Oldenburg – soweit es um die hier problematische Ausgleichszahlung geht – der Klage stattgegeben und auch die Berufung zugelassen. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf eben dieses Urteil, Bl. 41 – 44 der Gerichtsakte, verwiesen.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 30.05.2007 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 19.06.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 30.08.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 30.07.2007 die Berufungsbegründungsfrist dementsprechend verlängert hatte.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte das erstinstanzliche Ziel der Klageabweisung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlich vertretene Rechtsauffassung der Unbedenklichkeit der tarifvertraglichen Differenzierungsklausel.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 24.05.2007 – 4 Ca 9/07 – die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 28.08.2007 und die Berufungserwiderung vom 04.10.2007 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg, führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung.
A
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG, 511, 519, 520 ZPO). Insbesondere hat das Arbeitsgericht Oldenburg die Berufung zugelassen. Hieran ist das Landesarbeitsgericht gemäß § 64 Abs. 4 ArbGG gebunden.
B
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht die geltend gemachte Sonderzahlung in Höhe von 535,00 EUR nicht zu. Ein Anspruch gemäß § 611 ff. BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag der Parteien und § 3 Abs. 1 des TV AstD besteht nicht.
I.
Der Anspruch der Klägerin ist nicht schon aufgrund der konkreten streitgegenständlichen arbeitsvertraglichen Inbezugnahme der einschlägigen Tarifverträge...