Entscheidungsstichwort (Thema)
Unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung auf Grundlage von § 78 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB. Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds wegen seiner Betriebsratstätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Aus § 78 Satz 2 BetrVG kann sich iVm. § 611a Abs. 2 BGB ein unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung ergeben, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds wegen seiner Betriebsratstätigkeit darstellt. § 37 Abs. 4 BetrVG enthält insoweit keine abschließende Regelung über die Höhe des Arbeitsentgelts des Amtsträgers.
2. Ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, kann den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung in Anspruch nehmen.
3. Ist zwischen den Parteien unstreitig, dass bei der Arbeitgeberin eine bestimmte Stelle in der Vergangenheit zu besetzen war, und dass eine zur damaligen Zeit erfolgte Bewerbung des Betriebsratsmitgliedes auf diese Stelle erfolgreich gewesen wäre, so hat das erkennende Gericht nicht darüber hinaus von Amts wegen zu ermitteln, ob das Betriebsratsmitglied bei objektiver Betrachtung die notwendigen fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Bekleidung der Stelle mitbrachte bzw. mitbringt. Das gilt jedenfalls in den Fällen, in denen die fachliche und persönliche Eignung nicht offensichtlich fehlt.
4. Es ist bei übereinstimmendem Parteivorbringen nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte, von Amts wegen zu ermitteln, ob das Handeln von Betriebsratsmitglied und Arbeitgeberin möglicherweise eine einvernehmliche, sachwidrige und gegen § 78 BetrVG verstoßende Begünstigung des Betriebsratsmitglieds darstellt. Hierzu sind allein die Strafverfolgungsbehörden berufen.
Normenkette
BetrVG §§ 37, 37 Abs. 4, §§ 78, 78 S. 2; BGB § 611a; BGB § 611a Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 26.09.2023; Aktenzeichen 2 Ca 112/23) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts B-Stadt vom 26.09.2023 - 2 Ca 112/23 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger als freigestelltes Betriebsratsmitglied verlangt von der Beklagten, die ihn nach einer niedrigen Entgeltgruppe als zuvor vergütet hat, im Wesentlichen, ihm das Differenzentgelt nachzuzahlen.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilindustrie, seit dem 00.00.0000 tätig und seit dem 00.00.0000 freigestelltes Betriebsratsmitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats im Betrieb in A-Stadt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die zwischen der Beklagten und der ... geschlossenen Tarifverträge Anwendung.
Der Kläger ist gelernter E. und war bis Mai 2000 als Anlagenführer bei der Beklagten tätig; er wurde hierbei vergütet nach der Entgeltstufe (ES) 13. Ab dem Mai 2000 war er in einem Projektteam bei einer Tochtergesellschaft der Beklagten, der A. GmbH, tätig und übernahm in dieser Zeit Tätigkeiten aus den Bereichen Personal, Tarifwesen oder Arbeitsorganisation/Arbeitsplatzgestaltung. In dieser Zeit erfolgte die Vergütung weiterhin nach der Entgeltstufe 13.
Der Kläger absolvierte im Verlaufe seiner Beschäftigung bei der Beklagten mehrere Fortbildungen. So erhielt er 0000 ein MTM Praktiker Diplom, 0000 beendete er ein REFA Sachbearbeiter Arbeitsstudium und war seit 0000 REFA Fachmann. Im Jahr 2013 erwarb er eine Führungslizenz. Bei der Beklagten durchlaufen Mitarbeiter, die erstmalig Führungsaufgaben/Personalverantwortung übernehmen sollen, einen Ernennungsprozess, an dessen Abschluss der Erwerb dieser Lizenz steht. Erforderlich ist die Teilnahme an Lernmodulen zur sogenannten "Führungskräfte-Basis-Qualifizierung" und das Ablegen einer Prüfung zum Erwerb der Lizenz. Der Ernennungsprozess verläuft unabhängig von einer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Beschäftigtenkreis.
Nach Erwerb der Führungslizenz schlossen die Parteien mit Wirkung zum 1. Juli 2014 eine Vereinbarung dahingehend, dass sich das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nach den bei der Beklagten anwendbaren Tarifregelungen für Beschäftigte mit Spezialisten- oder Führungsfunktion ("Tarif-Plus") richten sollte. Seit dem 1. Juli 2016 war der Kläger in der Entgeltgruppe II des Tarif-Plus (entspricht ES 24) eingestuft. Zuletzt betrug das monatliche Einkommen des Klägers nach dem Tarif-Plus Entgeltgruppe II 8.142,50 Euro. Zudem erhielt ein Geschäftsfahrzeug, dessen geldwerter Vorteil ausgehend von 1 % des Bruttolistenpreises von 99.400,00 Euro mit 994,00 Euro monatlich zu bemessen ist.
Bei der Beklagten finden eine Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 08/20 ("GBV-Vergütung") und eine dazugehörige interne Durchführungsanweisung ("DA-Vergütung") zur Bemessung von Betriebsratsvergütungen Anwendung.
Mit Schreiben vom 27. Februar 2023 teilte die Beklagte nach Durchführung von Überprüfungen d...