Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitlicher Anwendungsbereich des AGG. Europäischer. Gleichbehandlungsgrundsatz
Leitsatz (amtlich)
1) Für die Anwendbarketi des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) kommt es bei Dauersachverhalten darauf an, ob es sich um bis zum 17.8.2006 abgeschlossene Sachverhalte handelt oder ob diese noch – wenn auch nur teilweise – noch andauern. Nur in letzterem Fall ist das AGG als neues Recht anzuwenden, weil in schon abgewickelte Rechtsbeziehungen nicht mehr eingegriffen werden kann.
2)Die Bekräftigung einer vor dem 18.08.2006 liegenden Verletzungshandlung, z.B. durch einen Klageabweisungsantrag, stellt keine eigene Verletzungshandlung im Sinne des AGG dar.
3) Auch im Anwendungsbereich eines europäischen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine Differenzierung nach der gesetzlichen und tariflichen Möglichkeit, Altersteilzeit mit anschließender Altersrente in Anspruch nehmen zu können, durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und objektiv und angemessen. Das Differenzierungskriterium ist die anderweitige finanzielle Absicherung als Mittel des Personalabbaus.
Normenkette
AGG
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Urteil vom 09.02.2007; Aktenzeichen 7 Ca 506/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.02.2007 – 7 Ca 506/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit einer Abfindungszahlung zu Gunsten des Klägers in Höhe von 171.720,– EUR sowie um Feststellung von Schadensersatzansprüchen.
Der am 00.00.1949 geborene Kläger ist seit dem 13.10.1971 bei der Beklagten im Werk A-Stadt mit einem Entgelt nach der Entgeltstufe 9 des Monatsentgelttarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der V. beschäftigt. Das entspricht einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von 3.788,55 EUR. Bei der Beklagten gibt es die tarifliche Möglichkeit, einen Altersteilzeitvertrag abzuschließen (Tarifvertrag Altersteilzeit vom 14.07.1997). Nach § 5 des Tarifvertrages vom 28.09.1995 i. d. F. vom 03.11.2004 zur Sicherung der Standorte und der Beschäftigung sind betriebsbedingte Kündigungen derzeit ausgeschlossen. Im Juni 2006 gab die Beklagte das zu Blatt 11 und 12 d. A. gereichte Rundschreiben heraus, nach dessen Inhalt Mitarbeiter gegen Zahlung einer Abfindung von bis zu 249.480,– EUR brutto bis zum 30. September 2006 aus dem Unternehmen ausscheiden konnten. Ausweislich des Rundschreibens richtete sich dieses Angebot an Mitarbeiter der Jahrgänge ab 1952 und jünger der V. sowie V. Nutzfahrzeuge, Konzern-/ und Markenstellen- und Tochtergesellschaften mit Arbeitsverträgen der V.. In dem Rundschreiben heisst es weiter: „Alle Abfindungsangebote beruhen auf Freiwilligkeit, und zwar sowohl von Mitarbeiter- als auch von Unternehmensseite aus. Alle Anfragen von Interessenten werden individuell daraufhin geprüft, ob ein Aufhebungsvertrag betrieblich möglich ist.” Des Weiteren enthält das Rundschreiben verschiedene Berechnungsbeispiele für Abfindungen. Mit Schreiben vom 13.06.2006 forderte der Kläger die Beklagte auf, auch ihm ein derartiges Angebot zu machen. Das lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 22.06.2006 (Blatt 14 d. A.) ab. Gleichzeitig bot sie dem Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit einer Abfindungsregelung an, deren Summe sich in etwa an den Altersteilzeitregelungen orientiere. Für den genauen Inhalt des Schreibens wird auf Blatt 14 d. A. Bezug genommen. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens bot die Beklagte dem Kläger eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung eines Betrages von ca. 58.700,– EUR netto an. Mit Schreiben vom 30.10.2006 (Blatt 43 d. A.) erläuterte die Beklagte, dass die Nettosumme sich nach den Monaten bis zu einem frühestmöglichen Renteneintritt des Klägers berechne.
Der Kläger hat mit seiner am 22.09.2006 erhobenen Klage die Auffassung vertreten, dass sein Ausschluss aus der Möglichkeit eines Abschlusses eines Aufhebungsvertrages gemäß den in dem Rundschreiben genannten Bedingungen eine nichtgerechtfertigte Ungleichbehandlung darstelle.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 117.720,00 EUR zuzüglich eines Zuschlages von 54.000,00 EUR, insgesamt als eine Abfindung in Höhe von 171.720,00 EUR beinhaltet, zu unterbreiten
sowie
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger dadurch entstanden sind und entstehen werden, dass die Beklagte dem Kläger wegen seines Alters keinen Aufhebungsvertrag über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bis zum 30.09.2006 und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 117.720,00 EUR zuzüglich Zuschlag in Höhe von 54.000,00 EUR, insgesamt also eine Abfindung in Höhe von 171.720,00...