Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifanwendbarkeit. Begriff des Großhandels. Eingruppierung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Anwendbarkeit des Lohntarifvertrages für den Groß- und Außenhandel Niedersachsen i.d.F. vom 9.6.2000 auf die Betreiberin einer Kette von Sonderpostenmärkten, bei der die einzelnen Händler die Märkte als selbständige Kaufleute führen.

2. Für den Begriff des Großhandels ist entscheidend, dass wirtschaftlich gesehen eine Belieferung von Einzelhändlern erfolgt. Die weitere rechtliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zu dem beliefernden Großhändler ist unerheblich.

 

Normenkette

TVG §§ 1, 4 Abs. 3, § 5

 

Verfahrensgang

ArbG Osnabrück (Urteil vom 12.11.2003; Aktenzeichen 4 Ca 320/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.01.2006; Aktenzeichen 4 AZR 621/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 12.11.2003 – 4 Ca 320/03 – abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 858,46 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zahlung tarifvertraglicher Vergütung für die Monate August bis Oktober 2002.

Die Beklagte entwickelte ein Konzept zum Betrieb einer Kette von Sonderpostenmärkten, in denen Restposten aller Art angeboten werden. Die Betreiber der jeweiligen Märkte, von denen es etwa 200 in der Bundesrepublik gibt, sind mit der Beklagten aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung verbunden, durch die ihnen das Recht eingeräumt wird, einen P. Markt zu betreiben. Die einzelnen Händler führen die Märkte als selbständige Kaufleute. Die Beklagte stellt ihnen Geschäftsräume mit einer systemtypischen Ausstattung und Design zur Verfügung und beliefert sie mit Waren, die mit „P.” ausgezeichnet sind. Die Beklagte erteilt den Händlern für die Ware verbindliche Preisempfehlungen, von denen nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden kann. Als Entgelt erhält der Unternehmer von der Beklagten eine Verkaufsprovision, von der u.a. auch die von ihm seinerseits beschäftigten Mitarbeiter zu vergüten sind. Wegen der Einzelheiten der Vereinbarung mit den jeweiligen Marktbetreibern wird auf die mit Schriftsatz der Beklagten vom 22.09.2003 überreichte Kopie Bezug genommen.

Die Beklagte unterhält mehrere Lager. Durch diese Lager werden in erster Linie die einzelnen … märkte vor Ort beliefert. In geringerem Umfang erfolgt auch eine Lieferung von Waren an andere Großkunden. Zudem werden Waren ins europäische und nichteuropäische Ausland exportiert. Eines dieser Lager befindet sich in …. Dort ist der Kläger seit dem 10.07.1996 als Lagerarbeiter/Folienmaschinenarbeiter beschäftigt.

Im April 2000 machte er gegenüber der Beklagten schriftlich geltend, er habe Anspruch auf Vergütung nach den Bestimmungen des Lohntarifvertrages für Beschäftigte des Niedersächsischen Einzelhandels. Mit Schreiben vom 21.07.2000 erklärte die Beklagte gegenüber der den Kläger vertretenden Gewerkschaft folgendes:

„bezugnehmend auf unser am 18.07.2000 geführtes Gespräch teile ich Ihnen mit, daß die Firma Pl. hinsichtlich der Lohnansprüchem die von Ihnen in Ihrem Schreiben vom 28.04.2000 für die von Ihnen vertretenen Arbeitnehmer geltend gemacht wurden, auf Ausschlußfristen bis zur gerichtlichen Klägerung der Einordnung in einen möglichen Tarifvertrag verzichtet.

Nach gerichtlicher Klärung, ob und welcher Tarifvertrag Anwendung findet, wird die Firma P. entsprechend eines etwaig anzuwendenden Tarifvertrages die Entlohnung der Arbeitnehmer, falls erforderlich, tarifgemäß angleichen”.

Ein auf Vergütung nach dem Niedersächsischen Einzelhandelstarifvertrag gerichtetes Musterverfahren eines Mitarbeiters blieb sowohl vor dem Arbeitsgericht Osnabrück (Az. 1 Ca 777/00) als auch vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Az. 10 Sa 579/02) erfolglos.

Im Januar 2003 machte der Kläger sodann gegenüber der Beklagten Entgeltansprüche auf Grundlage des Lohntariftrages für den Groß- und Außenhandel Niedersachsen geltend. Wegen des Inhalts des Geltendmachungsschreibens sowie der beigefügten Berechnung der geltend gemachten Vergütungsdifferenzen wird auf die mit der Klageschrift überreichten Kopien Bezug genommen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien seien die Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel Niedersachsen anwendbar, da die Beklagte mindestens überwiegend Wiederverkäufer oder gewerbliche Verbraucher beliefere. Er sei nach dem allgemeinverbindlichen Lohntarifvertrag für den Groß- und Außenhandel Niedersachsen (i.d.F. vom 01.05.2000 bis zum 30.04.2002) in die Lohngruppe 2 einzugruppieren.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 858,46 EUR brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 26.05.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, aus der – rechtskräftig – festgestellten Nichtanwe...

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