Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz als Anspruchsgrundlage. Auslegung des Antragsrechts einer Tarifvorschrift

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung, gleichzubehandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. Verstößt der Arbeitgeber bei der Gewährung freiwilliger Leistungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung.

2. Räumt eine Tarifvorschrift - hier § 29a Abs. 3 TVÜ-L - dem Beschäftigten ein Antragsrecht bezüglich seiner Eingruppierung ein, ist durch Tarifauslegung zu ermitteln, welche Anforderungen dieser Antrag erfüllen muss. Im Falle des § 29a Abs. 3 TVÜ-L wird das Antragsrecht für die Fälle eingeräumt, in denen die neue Entgeltordnung im Gegensatz zur vorläufgen Eingruppierung zu einer höheren Eingruppierung führen würde. Macht der Beschäftigte indessen geltend, schon in der Vergangenheit hätte ihm nach dem früheren System des BAT eine höhere Entgeltgruppe zuerkannt werden müssen, ist dies kein Antrag i.S. der neuen Übergangsregelung des § 29a Abs. 3 TVÜ-L.

 

Normenkette

BAT VergGr III2 Fallgruppe 2; BAT VergGr IVa Fallgruppe 10; EntgO TV-L EG 11 Stufe 4; EntgO TV-L EG 12 Stufe 5; TVÜ-L § 8 Abs. 3, § 29a Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 01.06.2016; Aktenzeichen 13 Ca 380/15 E)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.10.2018; Aktenzeichen 6 AZR 300/17)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 01.06.2016 - 13 Ca 380/15 E - wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das beklagte Land dem Kläger, beginnend mit dem 01.12.2013, die Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 Stufe 5 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den jeweiligen Bruttodifferenzbetrag zur abgerechneten Monatsbruttovergütung zu zahlen hat.

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 7.313,13 € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 3.767,00 € brutto seit dem 01.01.2013 sowie auf 3.545,37 € brutto seit dem 01.01.2014 zu zahlen hat.

Die Berufung des beklagten Landes wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es in Ziffer 1 des Urteilstenors "Arbeitnehmerbrutto" anstatt "netto" lauten muss.

Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers sowie um Rückforderungsansprüche des beklagten Landes.

Der Kläger ist beim beklagten Land seit dem 01.04.2002 Arbeitnehmer und wird ab dem 01.11.2003 als Bausachverständiger beschäftigt. Seine Hauptaufgabe besteht zu 75 % seiner Arbeitszeit darin, den Verkehrswert von bebauten und unbebauten Grundstücken nach dem Baugesetzbuch für steuerliche Zwecke in allen Steuerarten zu ermitteln. Dies entspricht der als Anlage K 13 vom Kläger zum Schriftsatz vom 27.11.2015 vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung des beklagten Landes, auf die zur weiteren Darstellung verwiesen wird (Bl. 103 bis 105 d. A.). Es besteht zwischen den Parteien eine Meinungsverschiedenheit, ob diese Hauptaufgabe der Verkehrswertermittlung ein Arbeitsvorgang im Rechtssinne darstellt und wie er zu bewerten ist.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung Anwendung.

Ursprünglich erhielt der Kläger Vergütung nach der Vergütungsgruppe BAT IV b, Fallgruppe 21. Ab dem 01.11.2003 erhielt er Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV a BAT, wobei das beklagte Land ihm mitteilte, seine Tätigkeit entspreche den Merkmalen dieser Vergütungsgruppe, Fallgruppe 10 Teil 1 der Anlage 1 a zum BAT. Zum 01.11.2006 erhielt er aufgrund der Überleitung in den TV-L Vergütung nach der Vergütungsgruppe E 11.

Zum 02.01.2012 trat die neue Entgeltordnung zum TV-L in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt erhielt der Kläger Vergütung nach der Vergütungsgruppe E 11 Stufe 4. Ohne Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung hätte der Kläger aufgrund der vorherigen Regelungen des TV-L die Stufe 5 zum 01.01.2013 erhalten müssen.

Die Tätigkeit des Klägers hat sich erkennbar im Verlauf der gesamten Zeit nicht geändert.

Mit Schreiben vom 13.06.2012 beantragte der Kläger, ihm Bewährungsaufstieg zum 01.01. 2012 zuteilwerden zu lassen. Es wird auf sein Schreiben vom 13.06.2012, Anlage K 12 zu seinem Schriftsatz vom 29.10.2015, Bl. 81 d. A., verwiesen.

Ferner beantragte er mit Schreiben vom 15.06.2012...

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