Revision eingelegt
Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Übergang der Leitungsmacht. wirtschaftliche Neugründung durch Verwendung einer VorratsGmbH (persönliche Haftung des Geschäftsführers)
Leitsatz (amtlich)
1) Bei der Beurteilung, ob ein Betriebsübergang vorliegt, sind auch solche Gebäude, Maschinen, Werkzeuge oder Einrichtungsgegenstände als sächliche Betriebsmittel zuzurechnen, die nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehen, sondern die dieser zur Erfüllung seiner Betriebszwecke einsetzen kann. Maßgeblich ist die Weiterführung der Geschäftstätigkeit durch diejenige Person, die sich für den Betrieb als Inhaber „verantwortlich” zeichnet.
2) Betriebsinhaber ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt. Dabei ist es unerheblich, dass das zugrundeliegende Rechtsgeschäft unwirksam ist und der Gewinn an einen anderen abgeführt wird. Die wirtschaftliche Leitung sagt nichts über die Betriebsinhaberschaft aus. Betriebsinhaber ist derjenige, der den Betrieb in eigenem Namen und nach außen hin erkennbar führt.
3) Das Fehlen einer eigenwirtschaftlichen Nutzung der überlassenen Betriebsmittel steht auch dann nicht entgegen, wenn das Eigentum an den Betriebsmitteln bis zuletzt bei dem Insolvenzverwalter verbleibt.
4) Bei der Verwendung eines gebrauchten GmbH-Mantels oder einer Vorrats-GmbH sind die Gründungsvorschriften des GmbH-Rechts dann analog anzuwenden, wenn der GmbH-Mantel „leer”, dass heißt mit keinem Unternehmen ausgestattet ist. Hierbei spielt es keine Rolle, ob dieser Zustand schon von Anfang an besteht oder erst im Laufe der Zeit eingetreten ist. Die erstmalige oder auch neue Ausstattung des Mantels mit einem Unternehmen ist gleichermaßen als wirtschaftliche Neugründung zu qualifizieren und den Gründungsvorschriften unterstellt.
Normenkette
BGB § 613a; GmbHG §§ 7, 11
Verfahrensgang
ArbG Hildesheim (Urteil vom 06.12.2005; Aktenzeichen 2 Ca 337/05) |
Nachgehend
Tenor
1) Die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim – 2 Ca 337/05 – vom 06.12.2005 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche und die Wirksamkeit einer von der Firma A. GmbH ausgesprochenen Kündigung. Im Vordergrund stehen die Fragen, ob ein Betriebsübergang vorliegt und ob der Beklagte zu 2) als Geschäftsführer persönlich haftet.
Die 1964 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 01.08.1995 bei der Firma A.C. GmbH – Rechtsnachfolgerin der T. C. – in B. zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von 3.407,34 EUR als Vertriebsassistentin beschäftigt. Am 01.01.2005 wurde über das Vermögen der Firma A.C. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der Rechtsanwalt W. bestellt. Zuletzt beschäftigte die Insolvenzschuldnerin 28 Mitarbeiter. Bei ihr war ein Betriebsrat gebildet, dessen Mitglied der Arbeitnehmer G. und dessen Vorsitzender der Arbeitnehmer D. sind.
Bereits ab Januar 2005 stand der Insolvenzverwalter mit dem Beklagten zu 2) in Verhandlungen wegen der Übernahme wesentlicher Teile des Betriebsvermögens. Am 11. Februar 2005 kaufte der Beklagte zu 2) mit notariellem Kaufvertrag des Rechts-anwaltes Dr. H. zur Urkundsnummer …8/2005 die Beklagte zu 1). Diese ist eine Gesellschaft, die seit ihrer Gründung keinerlei geschäftliche Aktivitäten entfaltet hat. Auf den notariellen Kaufvertrag wird Bezug genommen (Bl. 44 bis 50 d.A. 8 Sa 1984/05 8 Sa 1984/05). Unter der Urkundsnummer …9/05 beurkundete der Notar Dr. H. am selben Tage den Beschluss der Gesellschafter, mit dem der Beklagten zu 1) Dr. Ho. abberufen und der Beklagte zu 2) zum alleinigen Geschäftsführer bestellt, die Firma in A. GmbH umbenannt, der Sitz von H. nach B. verlegt und das Stammkapital auf 1.000.000,00 EUR erhöht werden sollte. Auf den genauen Wortlaut wird Bezug genommen (Bl. 51 bis 55, 125 bis 140 d.A. 8 Sa 1984/05).
Bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung wurden die im Gesellschafts-vertrag vorgesehenen Änderungen im Handelsregister nicht eingetragen.
Dennoch bevollmächtigte der Beklagte zu 2) unter dem Namen der Firma A. GmbH am 23.02.2005 den Betriebsleiter Herrn B. zur alleinigen Unterzeichnung von Anstellungs-verträgen mit den Mitarbeitern der Insolvenzschuldnerin und der Firma A. GmbH. In der Fußzeile dieses Schreibens wird auf die beim Amtsgericht Hannover eingetragene Firma S. verwiesen. Auf das Schreiben wird Bezug genommen (Bl. 20 d.A. 8 Sa 1984/05). Unter dem Datum des 15.02.2005 unterzeichnete die Klägerin ebenso wie alle anderen Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin einen Anstellungsvertrag beginnend mit dem 01.03.2005. Auf den Inhalt des Vertrages wird ebenfalls Bezug genommen (Bl. 7 bis 10 d.A. 8 Sa 1984/05). Der Arbeitsvertrag weist die Firma A. GmbH als Arbeitgeber aus, diese vertreten durch den Beklagten zu 2) als Geschäftsführer. Unterzeichnet hat den Arbeitsvertrag der hierzu von dem Beklagten zu 2) bevollmächtigte Arbeitnehmer B.. ...