Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen Schließung einer Betriebsabteilung bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zur Funktionalität des "Grafik-Designs" als eigene "Betriebsabteilung" eines Zeitungsverlages
Leitsatz (amtlich)
Das Vorliegen einer Betriebsabteilung i.S.v. § 15 Abs. 5 KSchG kann nur angenommen werden, wenn der entsprechende räumlich und organisatorisch abgegrenzte Teil des Betriebs, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der eigene Betriebszwecke verfolgt, auch eine personelle Einheit bildet. Eine personellen Einheit besteht nur, wenn die dem stillzulegenden Betriebsbereich angehörenden Arbeitnehmer eine gewisse Selbständigkeit in der Arbeitsorganisation aufweisen. Bei der Bearbeitung einer Anforderung aus einer anderen Betriebsabteilung muss dem Leiter der personellen Einheit eine Entscheidungsbefungnis darüber verbleiben, wann und wie dieser Anforderung unter Einsatz der Arbeitnehmer der Betriebsabteilung Rechnung getragen wird.
Normenkette
BetrVG § 15 Abs. 5, 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 02.04.2014; Aktenzeichen 6 Ca 457/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 02.04.2014 - 6 Ca 457/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Kündigung des Klägers als amtierendes Betriebsratsmitglied nach der Ausnahmevorschrift des § 15 Abs. 5 KSchG wegen Schließung einer "Betriebsabteilung" zulässig ist.
Der am 00.00.1959 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtige Kläger ist seit dem 01.07.1996 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Grundlage dieser Beschäftigung ist der schriftliche Anstellungsvertrag vom 17.05.1996, nach welchen der Kläger als Grafik-Designer für die Verlagswerbung eingestellt ist. Bei einer 35-Stunden-Woche erzielt der Kläger zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von 3.504,51 €.
Die Beklagte betreibt einen Zeitungsverlag, bei welchem im Herbst 2013 noch ca. 320 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt waren. Der Kläger als vormaliges Ersatzmitglied ist mit Wirkung zum 01.05.2013 als ordentliches Mitglied in den Betriebsrat nachgerückt. Gemeinsam mit seinem Kollegen H. ist der Kläger in der Abteilung Kommunikation/Kundenservice, welche von Frau W. geleitet wird, tätig. Das Organigramm der Beklagten mit Stand vom 01.05.2013 weist als Funktionalitäten der Abteilung Kommunikation/Kundenservices das Brandmanagement einschließlich Werbung und PR, das Grafik-Design, die Leserreisen, den Leser Shop und die Steuerung der Endkundenoberfläche aus. Fachliche Vorgesetzte des Klägers ist Frau W.. Diese hat den Kläger und seinen Kollegen zuletzt mit Schreiben vom 10.01.2013 angewiesen, bei "zeitkritischen Projekten" immer vor Verlassen des Hauses bei dem zuständigen Brandmanager bzw. Frau W. nachzufragen, ob alles zufriedenstellend erledigt wurde. Ferner wurde der Kläger angewiesen, grundsätzlich alle Daten auf einem Laufwerk abzulegen, auf das neben den Grafikern auch die Brandmanager und Frau W. Zugriff haben (Bl. 113 d.A.). Die dem bei der Beklagten gebildeten Betriebsrat nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zustehende Freistellung wurde zum 01.05.2013 dadurch umgesetzt, dass dem Kollegen des Klägers, Herrn H., einen Teilfreistellung für die Betriebsratsarbeit für die Tage Donnerstag und Freitag gewährt worden ist. Ob die Beklagte für den Arbeitsbereich des Klägers und seinen Kollegen H. adäquate organisatorische Vorkehrungen getroffen hat, um die für die Betriebsratsarbeit aufzuwendenden Arbeitszeitanteile zu kompensieren, ist zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 19.09.2013 hörte die Beklagte den bei der Beklagten bestehenden Betriebsrat zur beabsichtigten "betriebsbedingten" Kündigung des Klägers mit Wirkung zum 31.03.2014 an. Mit Schreiben vom 26.09.2013 äußerte der Betriebsrat Bedenken hinsichtlich dieser Kündigung und erhob vorsorglich auch Widerspruch. Der Betriebsrat machte dabei geltend, dass es sich bei der von der Beklagten ins Auge gefassten Maßnahme nicht um die Schließung einer Abteilung, sondern um den Versuch handele, Betriebsratsmitglieder "aus dem Weg zu räumen". Der eigentliche Grund der "unternehmerischen Entscheidung" sei es die Arbeit des Betriebsrates zu behindern und zu stören. Vorsorglich benennt der Betriebsrat darüber hinaus exemplarisch vier Arbeitsbereiche in denen eine Weiterbeschäftigung des Klägers problemlos möglich sei, da dort derzeit Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer eingesetzt würden (Bl. 16 ff. d.A.).
Ungeachtet dieser Stellungnahme des Betriebsrats sprach die Beklagte mit Schreiben vom 30.09.2013 gegenüber dem Kläger eine ordentliche Kündigung aus und verband diese Kündigung mit einem Angebot nach § 1 a KSchG (Bl. 14 f. d.A.). Gegen diese Kündigung hat der Kläger mit am 09.10.2013 beim Arbeitsgericht Braunschweig eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage er...