Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung bei anderen Arbeitgebern erworbener einschlägiger Berufserfahrung im Rahmen der Stufenzuordnung staatlich geprüfter Techniker

 

Leitsatz (amtlich)

Es liegt eine gleichheitswidrige Benachteiligung vor, wenn § 16 TV L bei der Stufenzuordnung staatlicher geprüfter Techniker so angewendet wird, dass bei anderen Arbeitgebern erworbene einschlägige Berufserfahrung im Ergebnis höher bewertet wird als die beim beklagten Land selbst erworbene Berufserfahrung.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; TV L § 16

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 23.02.2016; Aktenzeichen 10 Ca 468/15 E)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.12.2017; Aktenzeichen 6 AZR 790/16)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 23.02.2016 - 10 Ca 468/15 E - abgeändert und das beklagte Land verurteilt, an den Kläger 2.922,99 € brutto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 1.387,39 € seit dem 16.10.2015 und auf einen weiteren Betrag von 1.535,60 € seit dem 01.09.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifliche Stufenzuordnung des Klägers.

Der jetzt 32 Jahre alte Kläger ist staatlich geprüfter Techniker. Er ist seit dem 1. Mai 2010 bei der Niedersächsischen Landesbehörde für auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23. März 2010 (Bl. 6 f. d. A.) beschäftigt. Nach § 2 dieses Arbeitsvertrages gelten für das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TV-L), der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-L) sowie die Tarifverträge, die den TV-L und den TVÜ-L ergänzen oder ersetzen in der Fassung, die für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder für das Land Niedersachsen jeweils gilt.

Mit seiner Einstellung wurde der Kläger zunächst in die Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 1 (staatlich geprüfter Techniker) gemäß § 17 TVÜ-L in Verbindung mit der Anlage 1a zum BAT, Teil II, Abschnitt L, Unterabschnitt I eingruppiert. Dies entsprach gemäß Anlage IV Teil A TV-L der Entgeltgruppe 8 TV-L. Gemäß § 16 Abs. 2 TV-L wurde der Kläger zunächst in die Stufe 1 der Entgeltgruppe 8 eingruppiert und sodann ab dem 1. Mai 2011 in die Stufe 2. Unter Fortgeltung des BAT gemäß § 16 Abs. 3 TVÜ-L wäre der Kläger zum 1. Mai 2013 in die Stufe 3 der Entgeltgruppe 8 aufgestiegen. Mit Inkrafttreten der Entgeltordnung Länder (EntgeltO) ab dem 1. Januar 2012 verlängerte sich die Stufenlaufzeit des Klägers für die Stufe 2 auf fünf Jahre. Gemäß Bescheid vom 15. August 2012 wurde der Kläger gemäß § 29a TVÜ-L rückwirkend ab dem 1. Januar 2012 neu in die Entgeltgruppe 9, Stufe 2 (Fallgruppe 2, Teil II, Abschnitt 22.2 der Anlage A - Entgeltordnung) eingruppiert.

Zum 1. Dezember 2013 stellte das beklagte Land bei der Niedersächsischen Landesbehörde den Mitarbeiter B ein. Unter Anerkennung einschlägiger Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber (§ 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L) wurde der Mitarbeiter B. sofort in die EG 9 Stufe 3 eingruppiert. Entsprechend wurde verfahren zum 1. Februar 2014 mit dem neu eingestellten Mitarbeiter C, zum November 2014 mit dem neu eingestellten Mitarbeiter D. und zum 1. Dezember 2014 mit dem neu eingestellten Mitarbeiter E. Um jeweils zu dieser Eingruppierung zu gelangen hat das beklagte Land nicht von den Sondervorschriften zur Deckung von Personalbedarf nach § 16 Abs. 2 Satz 4 oder § 16 Abs. 5 TV-L Gebrauch gemacht. Es wurde lediglich geprüft, ob die genannten Mitarbeiter über eine mindestens 3-jährige einschlägige Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber verfügen.

Der Kläger wäre nach der tariflichen Praxis des beklagten Landes erst zum 1. Januar 2017 in die Stufe 3 der EG 9 aufgerückt. Er machte mit anwaltlichem Schreiben vom 17. Juni 2015 (Bl. 8 f. d. A.) gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Einstufung in die Entgeltgruppe 9, Stufe 3, rückwirkend ab dem 1. Dezember 2014 geltend. Inzwischen ist der Kläger mit Wirkung vom 31. August 2016 aus den Dienst des Landes Niedersachsen ausgeschieden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die durch die Beklagte vorgenommene Stufenzuordnung entspreche zwar den tariflichen Vorgaben, verstoße jedoch gegen höherrangiges Recht (Art. 3 Abs. 1 GG). In der unterschiedlichen Einstufung seiner Person in Relation zu den neu eingestellten Mitarbeiter liege ein nicht zurechtfertigender Verstoß gegen den verfassungsrechtlich normierten Gleichheitssatz, da nach Januar 2012 eingestellte Mitarbeiter (erste Vergleichsgruppe) bereits nach 3-jähriger einschlägiger Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber der Stufe 3 zugeordnet werden, während Mitarbeiter der Beklagten (zweite Vergleichsgruppe) erst nach 6-jähriger Berufserfahrung in die Stufe 3 eingestuft werden. Unter keinem denkbaren Gesichtspunkt sei es sachlich gerechtfertigt, die bei einem anderen Arbeitgeber erworbene Berufserfahrung höher zu bewe...

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