Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsinteresse zur Klärung eines (Teil-)Rechtsverhältnisses. Sachdienlichkeit einer Klageerweiterung i.S.d. § 533 ZPO. Einstandspflicht des Arbeitgebers bei externer Durchführung der Altersversorgung. Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Dynamische Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag. Bestimmtheitsgebot als Ausprägung des Transparenzgebots bei der Inhaltskontrolle von Vertragsklauseln. Rechtsfolge mehrstufiger Verweisungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses kann Klage erhoben werden, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse daran hat, dass ein Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Die Klage muss sich dabei nicht auf ein Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen. Es reicht aus, wenn sie sich auf einzelne, sich daraus ergebende Rechte oder Folgen beschränkt, sofern dafür ein Feststellungsinteresse besteht.

2. Maßgeblich für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Sachdienlichkeit ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, für den es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung zu einer sachgemäßen und endgültigen Beilegung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet und einem anderenfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt.

3. Die Einstandspflicht des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG stellt sicher, dass bei Schwierigkeiten im externen Durchführungsweg gleichwohl der Versorgungszusage entsprechende Leistungen erbracht werden. Es handelt sich dabei um einen Erfüllungsanspruch des Versorgungsberechtigten.

4. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinne einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind.

5. Eine Verweisung im Arbeitsvertrag durch Bezugnahmeklausel auf die jeweils geltende Fassung eines Tarifvertrags führt dazu, dass die in Bezug genommenen Arbeitsbedingungen der jeweiligen Tarifvertragsentwicklung folgen.

6. Das Bestimmtheitsgebot als maßgebliche Ausprägung des Transparenzgebots verlangt lediglich, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender der Klausel keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und der Gefahr vorgebeugt wird, dass der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird.

7. Bei mehrstufigen Verweisungen bilden der verweisende und der in Bezug genommene Tarifvertrag regelmäßig eine Einheit. Die Normen des Bezugs-Tarifvertrags sind Teil der Normen des Verweisungsvertrags. Diese Verweisungstechnik bewirkt eine Koppelung der Anwendbarkeit des Bezugs-Tarifvertrags an das rechtliche Schicksal des Verweisungsvertrags. Soweit und solange der Verweisungs-Tarifvertrag, hier der TVöD-AT/VKA, arbeitsvertraglich gilt, gilt somit auch der in Bezug genommene Tarifvertrag, hier der ATV-K.

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1, § 533; BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 3, § 19 Abs. 3; BGB § 305 Abs. 1, § 307 Abs. 1; BHO §§ 23, 44 Abs. 1; TVöD-AT § 25; ATV-K § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hildesheim (Entscheidung vom 24.11.2021; Aktenzeichen 2 Ca 128/21 B)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.03.2024; Aktenzeichen 3 AZR 150/23)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 24.11.2021 (Az: 2 Ca 128/21 B) unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und lediglich hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung (Anträge zu 1) des Klägers) wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Versorgungsfalle die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die ihm zustünden, wenn er ab dem 11.10.2019 bei der VBL Versorgungsanstalt der Länder im Pflichtversicherungstarif gemäß § 63 Abs. 1 VBLS versichert worden wäre.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Parteien haben jeweils die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten nach einem Teil-Vergleich im Berufungsverfahren lediglich noch über Ansprüche der klagenden Partei auf betriebliche Altersversorgung.

Der Kläger (im Folgenden die klagende Partei) ist seit dem 01.04.2017 als Rettungssanitäter im Rettungsdienst bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Die klagende Partei ist in einer Rettungswache im Raum Hildesheim tätig.

Für den Zeitraum ab dem 01.01.2018 schloss die Beklagte mit sämtlichen Mitarbeitenden im Rettungsdienst auf einem im Betrieb verwendeten Formular-Arbeitsvertrag Änderungsverträge zum Arbeitsvertrag. Der Änderungsvertrag der klagenden Partei vom 15.12.2017 enthält auszugsweise folgende Regelungen:

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