Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Oberarztes

 

Leitsatz (amtlich)

Die Problematik, ob dem Arzt die medizinische Verantwortung „ausdrücklich” übertragen worden ist, ist der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zugänglich. Auf das Bewusstsein der Arbeitgeberin, eine Aufgabenzuweisung könne die Grundlage für eine zukünftige Eingruppierung bilden, kommt es nicht an.

 

Normenkette

TV-Ärzte/VKA § 16

 

Verfahrensgang

ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 19.05.2008; Aktenzeichen 2 Ca 425/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.04.2011; Aktenzeichen 4 AZR 247/09)

 

Tenor

Das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 19.05.2008 – 2 Ca 425/07 – wird auf die Berufung des Klägers teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 01.10.2006 Vergütung nach der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA) vom 17.08.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits insgesamt hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers.

Der 1985 geborene Kläger ist aufgrund des Arbeitsvertrages vom 30.10.1990 seit dem 01.01.1991 als Oberarzt in der Kinderklinik des Krankenhauses in A-Stadt für die Beklagte tätig.

Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien nimmt in § 2 auf den BAT und den diesen ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung Bezug. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf eben diesen Arbeitsvertrag, Anlage 1 zur Klageschrift, Bl. 8 – 10 der Gerichtsakte, verwiesen.

Die Beklagte zahlte zunächst an den Kläger Vergütung gemäß Vergütungsgruppe I b BAT. Mit Schreiben vom 31.03.1992 ordnete sie an, er werde ab dem 01.01.1992 widerruflich als erster Oberarzt und Abwesenheitsvertreter des leitenden Arztes der Kinderklinik eingesetzt. Aufgrund dessen gewährte sie Vergütung nach Vergütungsgruppe I a BAT.

Die Kinderklinik im Krankenhaus besteht aus 3 Stationen für 3 verschiedene Altersgruppen; eine Unterteilung nach Krankheitsbildern existiert nicht. Das Krankenhaus führt die Bezeichnung „Perinatalzentrum Level 2”.

Mehr als 50 % seiner Tätigkeit verrichtet der Kläger in der Station „Früh- und Neugeborene”. Die von ihm in Anspruch genommene Vertretertätigkeit des Chefarztes weist diesen hohen Zeitanteil von 50 % allerdings nicht aus.

Die Früh- und Neugeborenen-Station ist räumlich selbstständig und befindet sich im Erdgeschoss der Klinik. Sie hat einen eigenen assistenzärztlichen Dienst seit 2006, es gibt dort eigenes Pflegepersonal, welches ausschließlich für diese Station tätig ist. Sie verfügt ferner über eine eigene Kostenstelle.

Von den 7 Betten dieser Station sind 4 Bettenplätze mit einer besonderen Beatmungsmöglichkeit ausgestattet, sodass hier die Früh- und Neugeborenen intensiv betreut werden können.

Der Kläger ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin. Er verfügte bis Ende 2007 als einziger Arzt der Kinderklinik über die Weiterbildung zum Neonatologen.

In Bezug auf die ihm übertragenen Aufgaben hat er die Weisungsbefugnis über ärztliches und nichtärztliches Personal. Er gibt den anderen Ärzten Anleitung für Intensivbehandlungen, zeigt spezielle Techniken und überwacht Beatmungsänderungen. Er wird während seines Hintergrunddienstes von Assistenzärzten und Oberarztkollegen um Rat gefragt und weist diese an. Er ist weisungsbefugt gegenüber den beiden anderen Oberärzten sowie diversen Assistenzärzten. Lediglich dem Chefarzt gegenüber ist er untergeordnet.

Seit dem 01.08.2006 findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der TV-Ärzte/VKA Anwendung. Die Beklagte gewährt dem Kläger Vergütung der Entgeltgruppe II, der Kläger begehrt Vergütung aus der Entgeltgruppe III und hat dies erstmals mit einem auf den 26.03.2007 datierten Schreiben gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht.

Nach Ablehnung dieses Begehrens hat er sein Begehren im Wege einer Eingruppierungsfeststellungsklage vor dem Arbeitsgericht Wilhelmshaven weiterverfolgt und die Feststellung der Vergütungspflicht durch die Beklagte aus der Entgeltgruppe III gemäß § 16 TV-Ärzte/VKA weiterverfolgt. Er hat Auffassung vertreten, die Voraussetzungen unter denen der Tarifvertrag eine Höhergruppierung gewähre, seien gegeben.

Er hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm seit dem 01.08.2006 Vergütung nach der Entgeltgruppe III des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA) vom 17.08.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist dem Eingruppierungsbegehren entgegengetreten.

Mit Urteil vom 19.05.2008 hat das Arbeitsgericht Wilhelmshaven die Klage abgewiesen. Wegen der näheren Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils, Bl. 162 – 164 d. A., verwiesen.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 24.06.2008 zugestellt worden. Hiergegen hat er mit einem am 09.07.2008 ...

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