Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung vor Beendigungskündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Vermeidung einer betriebsbedingten Beendigungskündigung ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, dem Arbeitnehmer einen freien anderen Arbeitsplatz anzubieten, der sich für ihn eignet, und zwar bei verschlechterten Vertragsbedingungen im Wege der Änderungskündigung (Grundsatz der Änderungskündigung vor Beendigungskündigung).
2. Die Grenzen dieser Obliegenheit werden nicht durch Zumutbarkeitserwägungen, sondern durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bestimmt. Der Arbeitnehmer selbst entscheidet deshalb in der Regel, welche Arbeitsbedingungen für ihn zumutbar sind. Eine Ausnahme besteht, wenn die Bedingungen für die alternative Beschäftigungsmöglichkeit gemessen am ursprünglichen vertraglichen sowie am wirtschaftlichen und sozialen Status des Arbeitnehmers schlechterdings nicht in Betracht kommen.
3. Nach diesen Grundsätzen hat der in einem kleinen Hotel auf einer Insel mit Saisongeschäft langjährig als Chefkoch beschäftigte Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, dass ihm der Arbeitgeber nach dem Wegfall der Stelle eine auf Monate befristete Tätigkeit als Jung- bzw. Beikoch mit der Hälfte seiner bisherigen vertraglichen Bezüge anbietet.
Normenkette
KSchG §§ 1-2
Verfahrensgang
ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 23.06.2004; Aktenzeichen 1 Ca 675/03) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 23.06.2004 – 1 Ca 675/03 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung, um Weiterbeschäftigung sowie um Zahlung einer Abfindung.
Die Beklagte betreibt in … ein Hotel mit 20 Arbeitnehmern. Sie hat drei Gesellschafter, von denen zwei als Geschäftsführer bestellt sind und im Hotel arbeiten. Die Geschäftsführer kümmerten sich ursprünglich um die Organisation, unterstützt von dem Mitarbeiter S… an der Rezeption. Der Geschäftsführer R… nahm zudem die Funktion des Ausbilders wahr.
Der 1952 geborene Kläger war in dem Hotel seit dem 01.08.1982 als Chefkoch mit einem Bruttomonatslohn von zuletzt etwa 3.000,00 EUR beschäftigt. Seine Aufgabe bestand in der Organisation; er war zuständig für „Fischposten”. Während der Saison ab Anfang April bis Ende Oktober unterstützten ihn ein Beikoch mit der Zuständigkeit „Fleischposten”, eine Kraft für „Salatposten” und kalte Küche sowie mehrere Saisonhilfskräfte.
Nach dem Ende der Saison 2003 entschieden die Gesellschafter aus wirtschaftlichen Gründen, die Küche neu zu organisieren und die Stelle des angestellten Chefkochs dauerhaft einzusparen. Dessen Arbeit sollte der Geschäftsführer R… übernehmen, der über die erforderliche Ausbildung und Fähigkeiten verfügt. Dieser sollte künftig zu zwei Drittel in der Küche eingesetzt und von organisatorischen Aufgaben entlastet werden, für die nur noch ein Drittel seiner Arbeitszeit vorgesehen war. Die Entlastung sollte dadurch erreicht werden, dass der Rezeptionsleiter S… als Ausbilder fungiert und die übrigen Rezeptionsmitarbeiter zusätzlich administrative Aufgaben übernehmen, damit sich der Geschäftsführer R… im Wesentlichen auf Kontrollaufgaben beschränken konnte. In der Küche sollte der Geschäftsführer R… ab sofort und auch in der Saison 2004 mit unveränderten Aufgaben als Chefkoch arbeiten, wobei ihm ein Beikoch als Fleischposten, ein Jungkoch als Salatposten und für kalte Küche sowie weitere Saisonkräfte zur Seite gestellt werden sollten.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 16.11.2003, dem Kläger zugegangen am 19.11.2003, zum Ablauf des 30.06.2004. Der Kläger wurde bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung von 45 Urlaubstagen und Fortzahlung seiner Vergütung von der Arbeitspflicht freigestellt. Von diesem Zeitpunkt an übernahm der Geschäftsführer R… die Leitung der Küche. Für das Weihnachtsgeschäft stellte die Beklagte vorübergehend als Beikoch den Küchenmeister und erfahrenen Chefkoch Sch… ein, der bereits in der Saison 2003 sowie in der Saison 2004 als Beikoch in dem Hotelbetrieb tätig war.
Der Kläger hat mit am 09.12.2003 beim Arbeitsgericht Wilhelmshaven eingegangenem Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben und den Standpunkt eingenommen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er hat das Vorliegen von Kündigungsgründen bestritten, Weiterbeschäftigung begehrt sowie im Falle der Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Zahlung einer angemessenen Abfindung. Außerdem hat der Kläger die Herausgabe von Versicherungsunterlagen verlangt.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 16.11.2003, zugegangen am 19.11.2003, nicht zum 30.06.2004 beendet wird,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn als Koch mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen;
- hilfsweise...