Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Unwirksamkeit der Kündigung bei Verstoß des Arbeitgebers gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Differenzierung zwischen Verbotsgesetz und gesetzlicher Regelung einer Nebenpflicht
Leitsatz (amtlich)
Ein Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht des § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Normenkette
KSchG § 17 Abs. 3 S. 1, Abs. 1-2, 3 S. 2; BGB § 134
Verfahrensgang
ArbG Osnabrück (Entscheidung vom 16.06.2020; Aktenzeichen 1 Ca 79/20) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 16. Juni 2020 - 1 Ca 79/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch im Berufungsverfahren um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien sowie ihrer vor dem Arbeitsgericht gestellten Anträge wird nachfolgend die umfassende Darstellung im Tatbestand des angegriffenen Urteils wörtlich wiedergegeben:
"Der am 00.00.1959 geborene Kläger war seit dem 00.00.1981 bei der Insolvenzschuldnerin, der G. GmbH, als Schweißer beschäftigt. Nach Angabe des Beklagten betrug dessen monatliche Bruttovergütung zuletzt 0.000,00 €.
Die Insolvenzschuldnerin ist ein mittelständisches Unternehmen und entwirft, produziert und vertreibt Bodenbearbeitungsgeräte für Landwirte, insbesondere der Marken G. und R.. Zusätzlich bietet sie Dienstleistungen im Bereich der Landwirtschaft an. Im September 2011 übernahm die französische G. Gruppe die damalige R. GmbH und führte den Geschäftsbetrieb unter der Firmierung G. GmbH, der Insolvenzschuldnerin, fort. Die G. S.A.S. mit Sitz in Frankreich ist ebenfalls auf die Produktion von Landmaschinen mit dem Schwerpunkt Bodenbearbeitung spezialisiert.
Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde auf deren Antrag vom 00.00.2019 aufgrund von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung durch Beschluss des Amtsgerichts C-Stadt am 00.00.2019 das Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet. Zugleich wurde der Beklagte zum Sachwalter bestellt.
Zur Vermeidung einer Stilllegung des Gesamtbetriebes nach vorheriger Auslaufproduktion hatte sich die Insolvenzschuldnerin in Abstimmung mit dem Beklagten in seiner damaligen Stellung als Sachwalter jedenfalls zunächst dazu entschlossen, zu Sanierungszwecken einen Kaufvertrag über die wesentlichen Vermögenswerte der Beklagten mit einem Erwerber auf Basis eines Erwerberkonzeptes zu schließen. Die vorgesehene Kaufpreiszahlung mit dem einzigen potenziellen Erwerber, einem deutsch-chinesischen Investor, erfolgte jedenfalls zunächst nicht. Angesichts dessen beschloss zumindest ausweislich des Protokolls einer Gläubigerausschusssitzung vom 00.00.2020 u.a. unter Beteiligung des Beklagten in seiner damaligen Stellung als Sachwalter sowie des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin der Gläubigerausschuss, den Geschäftsbetrieb der G. GmbH nach vorheriger Ausproduktion spätestens zum 00.00.2020 vollständig einzustellen. Für den Inhalt der Gläubigerausschusssitzung vom 00.00.2020 wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen (Anlage B02 zum Schriftsatz des Beklagten vom 00.00.2020).
diesem Hintergrund vereinbarte die Insolvenzschuldnerin mit dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat am 00.00.2020 einen Interessenausgleich mit Namensliste sowie einen Sozialplan. Der Kläger ist - wie alle anderen Mitarbeiter - auf der Namensliste als zu kündigender Mitarbeiter aufgeführt. In dem Interessenausgleich heißt es auszugsweise unter Ziff. 4 wie folgt:
"4. Beteiligung des Betriebsrates
a) Der Betriebsrat wurde über die Betriebsänderung und die damit verbundenen Maßnahmen informiert. Eine abschließende Unterrichtung und Beratung unter Darlegung der Auswirkungen der Betriebsänderung für die betroffenen Mitarbeiter erfolgte am Tag der Unterzeichnung der vorliegenden Betriebsvereinbarung. Damit ist das Interessenausgleichsverfahren nach §§ 111 ff. BetrVG abgeschlossen.
5.1 Die Gesellschaft wird den Betriebsrat über die Umsetzung der Maßnahmen regelmäßig informieren.
5.2 Für die Beteiligung des Betriebsrates im Rahmen der Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
5.3 Die Parteien haben sich darauf verständigt, auch das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG sowie die weiteren Beteiligungsrechte in Bezug auf die europäische Massenentlassungsrichtlinie und die §§ 17 ff. KSchG, insbesondere nach § 17 Abs. 3 KSchG und § 20 Abs. 3 KSchG, mit dem Interessenausgleichsverfahren zu verbinden.
Die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderlichen Auskünfte, insbesondere die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenen Beschäftigten und die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, wurden dem Betriebsrat vor Abschlus...