Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsvereinbarung über Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer. Wirkung der Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden unter einer Betriebsvereinbarung. Mindestarbeitsleistung als zulässige Voraussetzung für eine Gewinnbeteiligung des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Regelungen zur Gewinnbeteiligung eines Arbeitnehmers, die durch die Beteiligung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als stille Gesellschafterin der Arbeitgeberin erfolgen, können Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein.

2.) Die Unterschrift der Betriebsratsvorsitzenden unter einer Betriebsvereinbarung (§§ 77 Abs. 2, 26 Abs. 2 BetrVG) begründet eine jederzeit widerlegbare Vermutung dafür, dass der Betriebsrat einen entsprechenden Beschluss gefasst hat (vgl. BAG 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00).

3.) Eine Gewinnbeteiligung in einer Betriebsvereinbarung kann von einer Mindestarbeitsleistung von sieben Monaten im Geschäftsjahr abhängig gemacht werden.

 

Normenkette

BetrVG §§ 26, 77, 75 Abs. 1; Betriebsvereinbarung "Vermögensbeteiligung der Mitarbeiter" § 4 Fassung: 2016-04-09

 

Verfahrensgang

ArbG Lingen (Entscheidung vom 07.03.2018; Aktenzeichen 2 Ca 505/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.11.2021; Aktenzeichen 10 AZR 696/19)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 7. März 2018 - 2 Ca 505/17 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Gewinnbeteiligung aus stiller Mitarbeiterbeteiligung.

Zwischen den Parteien bestand vom 1. August 1994 bis zum 31. Dezember 2016 ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger war zuletzt als Beton- und Stahlbauer tätig. Seit dem 15. August 2013 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig. Ab dem 1. März 2014 bezog er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Bei der Beklagten, einer Kommanditgesellschaft, besteht die Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung. Grundlage ist eine Betriebsvereinbarung "Vermögensbeteiligung der Mitarbeiter" vom 22. November 1974, die unter dem 9. April 2016 mit Wirkung vom 1. Januar 2016 neu gefasst wurde. Diese Betriebsvereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1

Beteiligungsträger:

Die Firma O. beteiligt ihre Betriebsangehörigen über die von diesen errichtete Beteiligungsgesellschaft der Betriebsangehörigen der Kommanditgesellschaft in Firma O.

- Gesellschaft bürgerlichen Rechts -

- im Folgenden kurz Beteiligungsgesellschaft genannt -

als stille Gesellschafterin im Sinne der § 335 ff. HGB nach Maßgabe der folgenden Grundsätze:

§ 2

Beteiligungsanspruch

Jeder noch nicht beteiligte Betriebsangehörige erhält anlässlich seines 3-, 5-, 10-, 15- und 20-jährigen Arbeitnehmerjubiläums eine Beteiligungsprämie, mit der er ab dem 1. Januar des folgenden Geschäftsjahres an der Beteiligungsgesellschaft teilhat:

3-jähriges Jubiläum

100 Stunden

5-jähriges Jubiläum

100 Stunden

10-jähriges Jubiläum

50 Stunden

15-jähriges Jubiläum

50 Stunden

20-jähriges Jubiläum

50 Stunden

Für Angestellte wird das von der Firma O. gezahlte Bruttogrundgehalt durch die tarifliche Arbeitsstundenzahl, zurzeit bei 173 Stunden, dividiert, um den entsprechenden Stundensatz zu ermitteln.

Die Firma O. behält sich das Recht vor, die Höhe der Beteiligungsprämie von Teilzeitbeschäftigten auf einen den geleisteten Stunden entsprechenden Betrag zu kürzen. Zeiträume der Ausbildung gelten nicht als Betriebszugehörigkeit im o. g. Sinne.

§ 4

Ruhen des Beteiligungsanspruches

Der Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung gemäß dem individuellen Beteiligungskapital besteht nur, wenn der Arbeitnehmer mindestens 7 Monate im vorangegangenen Kalenderjahr, aus dem die Gewinnbeteiligung ermittelt wird, gearbeitet hat.

§ 5

Verpflichtung zur Gesellschaftereinlage

Die Zahlung der Beteiligungsprämie durch die Firma O. ist davon abhängig, dass der Empfänger sich jeweils verpflichtet, den erreichten Beteiligungsprämienbetrag nach Abzug der Lohnsteuer und allen weiteren Abgaben, soweit sie auf steuerpflichtige Jubiläumsgeschenke anfällt, als Gesellschaftereinlage bei der Beteiligungsgesellschaft zu leisten und die Bedingungen des Gesellschaftvertrages der Beteiligungsgesellschaft anzuerkennen.

Für die stille Beteiligung, deren Rechte durch die Beteiligungsgesellschaft wahrgenommen werden, gilt:

a) dass in die Beteiligungsgesellschaft der jeweilige Nettobetrag der Beteiligungsprämie eingebracht wird und

b) dass sich die Beteiligungsgesellschaft mit dem Gesamtbetrag der Gesellschaftereinlagen der Betriebsangehörigen als stille Gesellschafterin bei der Firma O. beteiligt.

§ 6

Gewinn- und Verlustbeteiligung

Die Beteiligungsgesellschaft nimmt im Verhältnis des Anteiles ihrer Einlage am Gesamtkapital am Gewinn und Verlust der Firma O. teil.

...

Der Anteil der Beteiligungsgesellschaft am Verlust der Firma O. beschränkt sich auf den Betrag ihrer Einlage. ...

§ 7

Jahresgewinn

Der aus der Gewinnverteilung zugrunde zulegende Jahresgewinn besteht aus dem in der Handelsbilanz der Firma O. entsprechend ihrem Gesellschaftsvertrag in der jeweils gültig...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge