Entscheidungsstichwort (Thema)
Parallelentscheidung zu LAG Niedersachsen 5 Sa 459/20 v. 19.11.2020
Leitsatz (amtlich)
Hat eine Tarifnorm keinen Anwendungsbereich, kann sie niemals Grundlage für einen Anspruch aus Gleichbehandlung sein. Jede andere Sichtweise ist unlogisch und weltfremd.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; MTV Nds. Metallindustrie Bezirk Küste § 7 Abschn. 1.2; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 17.02.2020; Aktenzeichen 4 Ca 285/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 17.02.2020 - 4 Ca 285/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe tariflicher Nachtarbeitszuschläge, wobei als Vorfrage problematisch ist, ob die Differenzierung innerhalb des Tarifvertrages gleichheitswidrig ist.
Der Kläger ist seit mehreren Jahren bei der Beklagten als Arbeitnehmer tätig. Kraft beidseitiger Tarifbindung findet der Manteltarifvertrag für die Metallindustrie Bezirk Küste Anwendung. Bis zur Änderung der tarifvertraglichen Vorschriften am 01.04.2020 waren für den hier einschlägigen Bezirk B-Stadt unter § 7 in Abschnitt 1.2 die Höhe der Nachtarbeitszuschläge wie folgt geregelt:
"1.2 Nachtarbeit
a. regelmäßige Nachtarbeit (mindestens eine Arbeitswoche oder regelmäßig wiederkehrend) |
15% |
b. unregelmäßige Nachtarbeit |
30% |
c. Nachtarbeit, soweit nicht unregelmäßig bzw. regelmäßige Nacht- oder Nachtschichtarbeit vorliegt |
50%" |
§ 7 Ziffer 3 regelte wörtlich folgendes:
"3 mehrere Zuschläge:
Treffen mehrere Zuschläge zusammen, so ist nur der jeweils höhere Zuschlag zu zahlen. Ausgenommen hiervon ist in Schichtbetrieben der Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit, der neben den Zuschlägen für Mehrarbeit an Sonn- und Feiertagen gezahlt wird."
Die Beklagte ist produzierend im Schichtsystem tätig. Der Kläger nimmt an dem Schichtsystem teil und ist in der sog. Kontischicht tätig. Dort setzt die Beklagte die überwiegende Anzahlt der Arbeitnehmer ein. In dieser Kontischichtproduktion wird bei einem 12-Wochen-Rhythmus an 14 Tagen in Frühschicht mit einem Nachtarbeitszuschlagsanteil von 0,75 Stunden zu 15% pro Tag gearbeitet. 21 Tage werden in Spätschicht abgeleistet mit einem Nachtarbeitszuschlagsanteil von 0,25 Stunden zu 15% pro Tag. 21 Tage werden in Nachtschicht mit einem Nachtschichtnachtarbeitszuschlagsanteil von 7,5 'Stunden zu 15% pro Tag abgeleistet. Der maßgebende Tarifvertrag definierte in dem streitgegenständlichen Zeitraum die Nachtarbeit wie folgt: "Nachtarbeit: Als Nachtarbeit gilt die Zeit von 21.00 Uhr bis 06.00 Uhr."
Der Kläger war aufgrund des Schichtsystems in dem Zeitraum von Oktober 2018 bis April 2019 innerhalb des Schichtsystems während der im Tarifvertrag definierten Nachtzeiten tätig. Hierfür erhielt er einen Nachtarbeitszuschlag von 15%.
Mit seiner Klage hat er für diesen Zeitraum 3.256,31 EUR brutto als Differenz zwischen dem erhaltenen Nachtzuschlag (15%) und dem begehrten Nachtzuschlag (50%) geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die tarifvertragliche Differenzierung hinsichtlich der Höhe der Zuschläge für Nachtarbeit sei wegen Verstoßes gegen Artikel 3 Abs. 1 GG unwirksam, es habe eine Anpassung nach oben zu erfolgen, und ihm ständen nicht nur 15%, sondern 50% Nachtarbeitszuschläge zu.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 550,59 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 01.11.2018 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 459,37 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 01.12.2018 zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 636,24 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 01.01.2019 zu zahlen,
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 546,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 01.02.2019 zu zahlen,
5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 537,46 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 01.04.2019 zu zahlen,
6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 525,99 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 01.05.2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen seien rechtswirksam, der Kläger habe das erhalten, was ihm zustehe.
Mit Urteil vom 17.02.2020 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es hat unter anderem zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne schon deswegen keinen Anspruch auf einen Nachtzuschlag in Höhe von 50% haben, weil die entsprechende Vorschrift des Tarifvertrages keinen Anwendungsbereich habe. Denn nach allgemeinem Verständnis sei ein Sachverhalt entweder als regelmäßig oder aber als unregelmäßig zu charakterisieren. Die Begriffe schlössen einander aus. Der Kläger könne keinen Anspruch auf eine Zuschlagshöhe habe, welche nach den rechtlichen Voraussetzungen keinen Anwendungsfall habe.
Wegen weiterer Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (dort Bl. 3-6 desselben, Bl. 7...