Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungslast und Beweislast eines Arbeitnehmers für einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (hier: Vergütungsanspruch aus einem Bonussystem)
Leitsatz (redaktionell)
Sofern der Arbeitgeber aufgrund einer abstrakten Regelung eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip erbringt und er für den mit der Leistung verfolgten Zweck die Anspruchsvoraussetzungen festlegt, ist er lediglich dann berechtigt, einzelne Arbeitnehmer von der Leistung auszunehmen, wenn dies den sachlichen Kriterien entspricht. Die Zweckbestimmung ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Leistung.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 18.07.2022; Aktenzeichen 8 Ca 358/21) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 18.07.2022, Aktenzeichen 8 Ca 358/21, abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.971,00 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2021 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits und des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Der Kläger war vom 01.09.1980 bis 30.04.2021 bei der Beklagten zuletzt als außertarifliche Mitarbeiter in der organisatorischen Einheit technische Projektleitung G., G. P., V. im Geschäftsbereich technische Entwicklung im Management beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis zuletzt ein Arbeitsvertrag vom 22.06.2009 (Bl. 6-15 dA.) zugrunde. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Vereinbarung zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses wegen der Inanspruchnahme von Zeitwerten im Rahmen einer Lebensarbeitszeitverkürzung am 30.04.2021. Ab dem 01.04.2017 befand sich der Kläger in einer bezahlten Freistellungsphase (Schreiben vom 22.08.2016, Bl. 16-18 dA.) Neben einem aus dem Zeitwert-Guthaben finanzierten Fixum von 9.157,00 € € brutto ist folgende Regelung für den Freistellungszeitraum getroffen:
"Während der Freistellung aus Zeit-Wertpapieren erhalten Sie in dem vom Vorstand jeweils beschlossenen Rahmen einen Bonus auf der Grundlage ihres individuellen 100 %-Bonusniveaus nachfolgenden Maßgaben: Persönlicher Leistungs- und Unternehmensbonus werden jeweils in voller Höhe gezahlt, wobei sich der Persönliche Leistungsbonus am Durchschnitt der letzten drei Jahre vor Freistellung orientiert. Der Langzeitbonus Konzern (LTI) beträgt 30 % des vollen LTI-Betrages."
Im Dezember 2019 informierte die Beklagte den Managementkreis des Klägers über die Einführung eines neuen Vergütungssystems für das Management (Bl. 79-81 dA.) unter Gewährung einer Bestandssicherung für einen 3-jährigen Übergangszeitraum ab 2020. Hiernach entfiel ab dem Geschäftsjahr 2020 der Persönliche Leistungsbonus, der Jahres- und Langzeitbonus wurden auf andere Kennzahlen gerichtet
Mit Schreiben vom 20.02.2020 (Bl. 19-24 dA.) informierte die Beklagte den Kläger darüber, was die Systemumstellung für ihn konkret bedeute. Neben einer 4-prozentigen Erhöhung des monatlichen Bruttoentgeltes zum 01.01.2020 sollte das individuelle Zielniveau der variablen Vergütung unverändert 72.300,00 € bei 100-prozentiger Zielerreichung betragen, sich zukünftig jedoch hälftig aus den Zielbeträgen Jahresbonus und Langzeitbonus zusammensetzen. Im Einzelnen wurde dem Kläger folgendes mitgeteilt:
2. Variable Vergütung (...) Über die Höhe ihrer variablen Vergütungsbestandteil entscheidet der Vorstand der V. A. nach billigem Ermessen auf Grundlage des für den jeweiligen Bemessungszeitraum geltenden Bonussystems, derzeit dem Jahresbonus sowie dem Langzeitbonus.
Die tatsächliche Höhe des Auszahlungsbetrags wird unter Berücksichtigung der Erreichung der jeweils maßgeblichen Ziele, ihres Arbeitszeitfaktors und der weiteren in den jeweiligen Planbedingungen geregelten Ermessensgesichtspunkte, insbesondere dem Kultur- und Integritätskorrektiv (Malustatbestand), nach billigem Ermessen festgelegt.
Die V. A. behält sich die Änderung des Bonussystems insbesondere der Art der variablen Vergütung sowie der Planbedingungen vor. Die maßgeblichen Planbedingungen sowie das Bonussystem können für jeden neuen Bemessungszeitraum, nicht jedoch rückwirkend nach billigem Ermessen geändert werden. Hiervon bleibt die Höhe des Gesamtzielbetrags unberührt, eine Änderung der einzelnen Zielbeträge, aus denen sich dieser Gesamtzielbetrag zusammensetzt, bleibt jedoch vorbehalten.
(...) 4. Bestandssicherung
Die für das Geschäftsjahr 2019 individuell ausbezahlte Direktvergütung (brutto), bestehend aus der Jahressumme der monatlichen Entgelte ohne tarifliche Zusatzvergütung, sowie dem Persönlichen Leistungsbonus, dem Unternehmensbonus und dem LTI (ohne Sonderzahlungen), wird über drei Jahre abgestuft abgesichert. Diese...