Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung eines Arbeitnehmers als freigestelltes Betriebsratsmitglied nach der Entgeltstufe Tarif Plus I
Leitsatz (amtlich)
Allein eine nicht in die Tat umgesetzte Zusage/Mitteilung an ein Betriebsratsmitglied, ihn nach einem bei der Arbeitgeberin geltenden "Tarif Plus I" zu vergüten, stellt noch keine Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds nach § 78 Satz 2 BetrVG dar. Jedenfalls dann nicht, wenn die Voraussetzungen für eine Zuordnung zu dem Tarif Plus I nicht vorliegen oder ein etwaig geschlossener Änderungsvertrag auf Vergütung nach dem Tarif Plus I ohnehin nach § 134 BGB iVm. § 78 Satz 2 BetrVG nichtig ist.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 4, § 78 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Emden (Entscheidung vom 05.07.2023; Aktenzeichen 2 Ca 280/22 E) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 05.07.2023 - 2 Ca 280/22 E - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 31% und die Beklagte zu 69%.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Vergütung des Klägers als freigestelltes Betriebsratsmitglied.
Der Kläger ist seit dem 01.09.1987 bei der Beklagten beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die zwischen der Beklagten und der IG Metall abgeschlossenen Haustarifverträge. Hierzu gehört ua. der Rahmentarifvertrag zur Eingruppierung (RTVE) sowie der Rahmentarifvertrag für Beschäftigte mit Spezialisten- oder Führungsfunktion - Tarif Plus - (im Folgenden Tarif Plus). Nach § 1.2 gilt der Tarif Plus für alle Tarifbeschäftigten der Beklagten, die Mitglied der IG Metall sind und die Tätigkeiten ausüben, die über die in der Entgeltstufe 19 des § 13.2 RTVE in der jeweils geltenden Fassung beschriebenen Anforderungen hinausgehen, mit Ausnahme von Beschäftigten, die mit Sonderverträgen beschäftigt sind, die über den Rahmen des Entgelttarifvertrages für Beschäftigte mit Spezialisten- oder Führungsfunktion - Tarif Plus - sowie dieses Tarifvertrages hinausgehen.
Bei der Beklagten handelt es sich um einen Automobilhersteller mit ca. 120.000 Mitarbeitern an 6 Standorten in Deutschland.
Der Kläger ist seit dem Jahr 2006 Mitglied des bei der Beklagten existenten Betriebsrats und seit dem 28.04.2006 vollständig freigestellt. Zum Zeitpunkt der Amtsübernahme war der Kläger als Elektriker tätig und in die Entgeltstufe 13 RTVE eingruppiert.
Mit Schreiben vom 12.11.2007 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Kommission Betriebsratsvergütung das Arbeitsentgelt entsprechend der mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG angepasst und zum 01.01.2008 nach Entgeltstufe 15 erhöht habe (Anlage K2 zum Schriftsatz des Klägers vom 26.05.2024). Mit gleichgelagertem Schreiben der Beklagten vom 27.11.2009 erfolgte zum 01.01.2010 eine Anpassung nach der Entgeltstufe 16, zum 01.01.2012 nach der Entgeltstufe 17 (Schreiben vom 12.12.2011), zum 01.01.2014 nach der Entgeltstufe 18 (Schreiben vom 13.12.2013), zum 01.06.2015 nach der Entgeltstufe 19 (Schreiben vom 13.05.2015) und zum 01.01.2017 nach der Entgeltstufe 20 (Schreiben vom 13.12.2016).
Der Kläger absolvierte während seiner Betriebsratstätigkeit über 60 Fachseminare, wobei diese nach seinem Vorbringen teilweise auch einen unmittelbaren inhaltlichen Bezug zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aufwiesen. Er hat auch den bei der Beklagten installierten Ernennungsprozess, der mit dem Erwerb der Führungslizenz abgeschlossen wird, im Jahr 2017 erfolgreich durchlaufen.
Dem Kläger wurde im Jahr 2018 die Stelle des Leiters Personal Service Center (Lackiererei, Sonderfahrzeug) angeboten. Der Kläger war nach Anschauung des Personalleiters des Standorts A-Stadt die Idealbesetzung für diese Position. Der Kläger lehnte dieses Angebot ab, weil er kurz zuvor zum stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden gewählt wurde und im Betriebsrat bleiben wollte. Der Kläger lehnte ebenfalls eine im Jahr 2021 ihm angebotene Position des Unterabteilungsleiters in der Bahnverladung ab sowie die Stelle als Koordinator in der V. Akademie wegen seiner Betriebsratstätigkeit ab.
Am 08.10.2020 veröffentlichte die Beklagte die interne Stellenausschreibung "Pressesprecher Werk A-Stadt Unterabteilungsleiter (kaufm.) - TB 143" (Anlage K1, vorgelegt letztlich mit Schriftsatz vom 29.07.2024).
Die hiermit einhergehenden Aufgaben werden dort wie folgt beschrieben:
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Leiten der Unterabteilungen Kommunikation und Besucherdienst inkl. fachliche/disziplinarische Führung der Mitarbeiter
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Redaktionelles Erarbeiten von Themen, Nachrichten und Meldungen sowie deren Vorbereitung zur internen und externen Veröffentlichung durch Abstimmen der Inhalte mit den relevanten Stellen
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Planen, Entwickeln und Betreuen von öffentlichkeitswirksamen Aktionen
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Konzepte zur Beratung und B...