Entscheidungsstichwort (Thema)
Forderung
Leitsatz (amtlich)
1. Auf die regelmäßige Postlaufzeit kann eine Prozeßpartei dann nicht vertrauen, wenn sie einen fristgebundenen Antrag am Tag der Umstellung des Postleitzahlensystems (01.07.1993) mit der alten Postleitzahl des Berufungsgerichts zur Postbeförderung aufgibt.
2. Dieserhalb obliegt der Partei innerhalb offener Frist eine Erkundigungspflicht bei der Geschäftsstelle des Gerichts, ob der Antrag eingegangen ist. Eine Verletzung dieser Pflicht schließt die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist aus (im Anschluß an BGH vom 21.05.1993, II ZB 18/92, NJW 1993, 1333).
Normenkette
ZPO § 233; ArbGG § 66 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bamberg (Urteil vom 21.04.1993; Aktenzeichen 2 Ca 766/92) |
Tenor
I. Der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten vom 08.07.1993 in die versäumte Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
II. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 21.04.1993, Az.: 2 Ca 766/92, wird als unzulässig verworfen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
I.
Das Arbeitsgericht Bamberg hat am 21.04.1993 folgendes Endurteil verkündet:
- Der Vollstreckungsbescheid des Arbeitsgerichts Bamberg vom 13.07.1992 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 6.600,00 DM brutto abzüglich 298,01 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit 02.07.1992 zu bezahlen.
- Im übrigen wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/20, der Beklagte 19/20.
- Der Streitwert wird auf DM 6.600,00 DM festgesetzt.
Gegen dieses dem Beklagtenvertreter am 06.05.1993 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 25.05.1993, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 03.06.1993, Berufung eingelegt. Durch gerichtliches Schreiben vom 04.06.1993 ist der Beklagtenvertreter über den Zeitpunkt des Eingangs der Rechtsmittelschrift in Kenntnis gesetzt worden. Mit Schriftsatz vom 30.06.1993, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 07.07.1993, hat der Beklagtenvertreter die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 03.08.1993 beantragt. Das Verlängerungsgesuch des Beklagtenvertreters war mit der alten, bis 30.06.1993 geltenden Postleitzahl für das Berufungsgericht adressiert.
Nach entsprechendem gerichtlichen Hinweis, daß die bereits abgelaufende Frist nicht mehr verlängert werden kann, hat der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 08.07.1993, eingegangen beim Berufungsgericht am 15.07.1993, die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt und zur Begründung dieses Gesuches unter anwaltschaftlicher Versicherung ausgeführt:
Er habe als Beklagtenvertreter die Postsendung mit dem Verlängerungsantrag am 30.06.1993 nach der letzten Leerung in den Briefkasten beim Postamt Hirschaid eingeworfen. Dementsprechend sei dieser Brief mit der ersten morgendlichen Leerung am 01.07.1993 (6.45 Uhr) befördert worden. Nach normalem Postbetriebsablauf erreiche eine Postsendung den Empfänger am Tag nach der Leerung des Briefkastens, hier also am 02.07.1993. Davon habe der Beklagte auch hier ausgehen können. Offensichtlich sei die Postverzögerung mit dem verspäteten Eingang beim Berufungsgericht am 07.07.1993 auf die Umstellungsschwierigkeiten der Deutschen Bundespost mit den neu eingeführten Postleitzahlen zurückzuführen. Ein zurechenbares Verschulden des Beklagten liege deshalb nicht vor.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf den schriftsätzlichen Vortrag verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten vom 08.07.1993 ist form- und fristgerecht gestellt (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 234 ff. ZPO).
Es ist jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 233 ZPO ist die Wiedereinsetzung in eine versäumte Notfrist oder – wie hier vorliegend – eine Rechtsmittelbegründungsfrist nach § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nur zu gewähren, wenn die Versäumung ohne Verschulden der Partei oder ihres Vertreters (§ 85 Abs. 2 ZPO) geschehen ist. Verschuldet ist dabei Vorsatz und jede Art von Fahrlässigkeit. Es ist auf die im Verkehr übliche, allgemein erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung der subjektiven Fähigkeiten der Partei und der Gegebenheiten des Einzelfalls abzustellen (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 17. Aufl., § 233 Anm. 4 b; Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, 51. Aufl., § 233 Rdnr. 12 m.w.N.).
Für die Prüfung der Ursächlichkeiten zur Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird das anwaltschaftlich versicherte tatsächliche Vorbringen des Beklagtenvertreters als richtig unterstellt.
Dies ist jedoch im Ergebnis nicht geeignet, ein für die Fristversäumnis ursächliches schuldhaftes Fehlverhalten der beklagten Partei bzw. ihrer anwaltschaftlichen Prozeßbevollmächtigten auszuschließen.
Im einzelnen gilt folgendes:
Eine Partei darf sich, wenn sie fristgebundene Prozeßerklärungen auf dem Postweg an das Gericht übermittelt, zweifelsfrei auf die üblichen Postlaufzeiten ...