Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindung der Staatskasse an die richterliche Entscheidung zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe. Unbegründeter Einwand der Staatskasse zur kostensparenden Prozessführung durch getrennte Klageerhebung

 

Leitsatz (amtlich)

Mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Gericht festgestellt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig ist und somit nicht gegen die Pflicht zur kostensparenden Rechtsverfolgung verstößt. Im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG kann daher nicht (noch einmal) geprüft werden, ob die Rechtsverfolgung nicht kostengünstiger in einer Klage (ggf. im Wege der Klageerweiterung), statt in mehreren Klagen hätte erfolgen müssen (gegen LAG München 23.07.2012 - 10 Ta 284/11; wie LAG Hessen 15.10.2012 - 13 Ta 303/12).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Frage, ob die Partei gegen ihre Verpflichtung zur kostensparenden Rechtsverfolgung (§ 91 Abs. 1 ZPO) verstoßen hat, ist nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG zu prüfen sondern im Rahmen des Verfahrens über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gemäß §§ 114 ff. ZPO.

2. Ob die Rechtsverfolgung kostengünstiger in einem statt in mehreren Verfahren erfolgen muss, ist als Teil der Prüfung der Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) bereits im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe (§ 11a Abs. 1 ArbGG, §§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und die anwaltliche Beiordnung (§ 11a Abs. 1 ArbGG, § 121 ZPO) zu prüfen.

3. Die Entscheidung über die Mutwilligkeit im Sinne des § 114 Abs. 2 ZPO ist ebenso wie die Bewilligungsentscheidung ausdrücklich dem Richter vorbehalten und weder dem Rechtspfleger noch dem Urkundsbeamten übertragen (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit § 118 Abs. 3 ZPO).

4. Soweit es als misslich empfunden wird, dass die Staatskasse im Bewilligungsverfahren zur Prozesskostenhilfe bezogen auf die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung keine Beschwerde erheben kann (§ 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO), ist dies als gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen; die im Rahmen der Prozesskostenhilfereform zur Senkung der Kostenlast des Staates angeregte Ausweitung des Beschwerderechts der Staatskasse ist in Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Prüfung der Mutwilligkeit bewusst verworfen worden.

 

Normenkette

RVG §§ 48, 55-56; ZPO §§ 91, 103-104, 114, 118, 121, 124, 126; RPflG § 20; RpflG § 21; RVG § 48 Abs. 1; ZPO § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2 S. 1, § 114 Abs. 1-2, § 118 Abs. 3, § 124 Abs. 1 Nr. 1; RPflG § 21 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 12.03.2015; Aktenzeichen 12 Ca 483/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 12.03.2015, Az. 12 Ca 483/14, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

A.

Streitig ist im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG die Höhe der der Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers erhob gegen die Beklagte mit Schriftsätzen vom 22.01.2014 für insgesamt 13 Arbeitnehmer jeweils getrennte Lohnklagen für August und September 2013nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz und beantragte jeweils Prozesskostenhilfe sowie ihre Beiordnung als Prozessbevollmächtigte. Insgesamt wurden Löhne in Höhe von 62.603,30 € brutto geltend gemacht, davon im vorliegenden Verfahren 4.877,20 € brutto. Bei Klageeinreichung regte die Prozessbevollmächtigte außerdem an, die Klagen einheitlich einer Kammer vorzulegen, da die Sachverhalte und die Beklagtenseite identisch seien (Blatt 5 der Akten). Die Verfahren wurden entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan auf unterschiedliche Kammern verteilt und später auch nicht verbunden.

Die Klägervertreterin wurde den jeweiligen Klägern in allen 13 Verfahren beigeordnet, so auch im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 23.02.2015 (Blatt 84 der Akte) rückwirkend zum 25.07.2014 unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten.

Die Verfahren endeten durch gerichtlich festgestellten Vergleich, im vorliegenden Fall durch Beschluss vom 05.02.2015.

Nach Abschluss der Verfahren machte die Klägervertreterin jeweils ihre Vergütung geltend und erhielt sie ausbezahlt, insgesamt 13.276,27 €. Im vorliegenden Verfahren wurde ausgehend vom Vergleichswert die Vergütung der Prozessbevollmächtigten auf 1094,21 € festgesetzt (Beschluss vom 12.03.2015).

Mit seiner Erinnerung vom 05.05.2015 wandte sich der Bezirksrevisor beim Landesarbeitsgericht Nürnberg gegen diese Festsetzungen. Die beigeordnete Anwältin sei verpflichtet gewesen, die Ansprüche im Wege der subjektiven Klagehäufung geltend zu machen, so dass letztlich nur die Kosten erstattet werden könnten, die entstanden wären, wenn alle Ansprüche zumindest in einer, maximal zwei Klagen geltend gemacht worden wären.

Der Bezirksrevisor beantragte daher,

die 13 Einzelfestsetzungen aufzuheben, einen Betrag von insgesamt 1885,56 € festzusetzen und den überzahlten Betrag von 11.390,71 € zurückzufordern.

Klägervertreterin beantragte die Erinnerung zurückzuweisen.

Die Einzelsachverhalt...

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