Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung der Betriebsratswahl
Leitsatz (amtlich)
1. Die Öffnung der Freiumschläge für die Briefwahl gemäß § 28 Abs. 1 BetrVG kann auch erfolgen, wenn ein Mitglied des Wahlvorstandes zu dem festgesetzten Zeitpunkt nicht erschienen ist.
2. Findet die Stimmauszählung nicht im Wahlraum statt und fehlt ein Hinweis auf den Auszählungsraum, kann eine Wahl nur wirksam angefochten werden, wenn deshalb ein Wahlberechtigter den Auszählungsraum nicht gefunden hat.
Normenkette
BetrVG § 19; WahlO § 28
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Beschluss vom 13.10.1998; Aktenzeichen 6 BV 61/98) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.10.1998 – Az.: 6 BV 61/98 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtswirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die Antragstellerin ist eine im Betrieb der Antragsgegnerin vertretene Gewerkschaft.
Vom 05. bis 07.05.1998 wurde bei der Antragsgegnerin der Betriebsrat gewählt. Wahlberechtigt waren 4185 Beamte, Angestellte und Arbeiter. Mehr als 1000 Beschäftigte machten von der Möglichkeit der schriftlichen Stimmabgabe Gebrauch.
Wahllokale befanden sich im Hauptbahnhof … und im ca. 4 km davon entfernten Briefpostzentraum … Abschluss der Stimmabgabe im Wahllokal im … war am 07.05.1998 um 14.00 Uhr. Im Wahllokal im Befriefpostzentraum … wurde am 07.05.1998 bis 20.00 Uhr gewählt.
Dem am 03.12.1997 vom Betriebsrat bestellten Wahlvorstand gehörte kein Mitglied der Antragstellerin an. Als nicht stimmberechtigtes Mitglied wurde ihr im Januar 1998 der Betriebsangehörige F. als Beauftragter in den Wahlvorstand entsandt.
Die Beteiligten streiten darüber, welchen Beschluss der Wahlvorstand in seiner Sitzung vom 29.04.1998 gefasst hat. Nach der Sitzungsniederschrift sollten ab 18.00 Uhr die Briefwahlunterlagen geöffnet werden, während ab 20.00 Uhr die Auszählung der Stimmzettel erfolgen sollte. Die Wahllokale sollten rechtzeitig ausgeschildert werden. Nach der Wahlniederschrift wurde am 07.05.1998 ab 20.00 Uhr mit der Stimmauszählung begonnen. Die Stimmauszählung selbst erfolgte in einem Sitzungssaal C 130 im Briefpostzentraum … einen Stock über dem Wahllokal. Nach der Wahlniederschrift gewann kein Mitglied der Antragstellerin einen Betriebsratssitz.
Mit Telefax ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.05.1998 beantragte die Antragstellerin, die Betriebsratswahl vom 05. bis 07.05.1998 für unwirksam zu erklären. Sie macht im Wesentlichen geltend, der Wahlvorstand habe am 29.04.1998 beschlossen, dass die Auszählung der Stimmen am 07.05.1998 im Raum C 130 beginnen solle. Die Briefwahlstimmen hätten um 18.00 Uhr, die Urnenstimmen um 20.00 Uhr ausgezählt werden sollen. Der von ihr beauftragte Herr F. habe am 07.05.1998 den Vorsitzenden des Wahlvorstandes zur Sicherheit gefragt, wann die Auszählung beginnen solle. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass ein Auszählungsbeginn um 18.00 Uhr nach der Wahlordnung nicht zulässig sei und deshalb erst um 20.00 Uhr mit dem Auszählen begonnen werde. Allerdings würden Briefwähler bereits vorher mit der Liste abgeglichen werden. Als Herr F. dann um 19.50 Uhr das Zimmer 130 betreten habe, habe er wegen der durch vier Tische aufgebauten Sperre nicht zum Wahlvorstand gelangen können. Er habe aber erkennen können, dass bereits mit dem Auszählen des Wahlergebnisses begonnen worden sei. Die äußeren blauen Briefwahlumschläge seien bereits geöffnet und leer gewesen. Die dazugehörigen persönlichen Erklärungen seien oben auf gelegen. Er habe nicht erkennen können, was mit den inneren roten Umschlägen geschehen sei. Zudem habe er erkennen können, dass unterschiedliche Auszählungsmethoden angewandt worden seien. So habe Herr S. die Wahlzettel in drei Stöße geteilt. Frau B. hingegen habe die Stimmzettel ohne weitere Differenzierung auf den mittleren Stoß gelegt. Zudem hätten einzelne Mitglieder des
Wahlvorstandes Stimmzettel für Stimmzettel abgezählt, andere jedoch, ohne auf den Inhalt der Stimmzettel zu achten, nur das Paket der Stimmzettel an den Ecken abgezählt.
Zudem habe es der Wahlvorstand versäumt, Auszählungsort und Auszählungszeit öffentlich bekannt zu machen.
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Betriebsratswahl vom 05. bis 07.05.1998 für unwirksam zu erklären.
Der Antragsgegner hat erstinstanzlich
Zurückweisung des Antrags beantragt.
Er hat zur Begründung ausgeführt, der Wahlvorstand habe in der Sitzung vom 29.04.1998 das beschlossen, was auch in der Niederschrift stehe. Entsprechend seien ab 18.00 Uhr die Briefwahlunterlagen geöffnet worden, die Wahlberechtigung und das Vorliegen der persönlichen Erklärung geprüft worden und die Stimmzettel ungeöffnet in die Urnen gegeben worden. Der Raum C 130 sei für jeden wahlberechtigten Beschäftigten ohne weiteres zugänglich gewesen.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Von einer weitergehenden Darstellung wir...