Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit. Gegenstandswert bei Klage auf Unterlassung verbotener Konkurrenztätigkeit. Abschläge bei Schätzung des Gegenstandswerts im Falle einer Widerklage wegen Schadensersatzes aus Konkurrenztätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Erhebt der Arbeitgeber nach Ausspruch einer Kündigung, die der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen hat, gegen den Arbeitnehmer Klage auf Unterlassung verbotener Konkurrenztätigkeit, ist der Gegenstandswert an dem Interesse des Arbeitgebers an der Unterlassung der Konkurrenztätigkeit auszurichten. Dabei ist insbesondere die von ihm befürchtete Umsatz- oder Gewinneinbuße zu berücksichtigen. Ggf. sind Abschläge wegen einer angekündigten oder gleichzeitig erhobenen Schadensersatzklage und der Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich alsbald durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom vertraglichen Wettbewerbsverbot zu lösen, zu machen. (vgl. LAG Thüringen 08.09.1998 - 8 Ta 89/98).
Leitsatz (redaktionell)
1. Die auf der Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichtete Streitwertkommission hat einen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeitet. Dieser entfaltet zwar keine rechtliche Bindungswirkung, stellt aber eine ausgewogene und mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.
2. Erhebt der Arbeitgeber nach Ausspruch einer Kündigung, die der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen hat, gegen den Arbeitnehmer Klage auf Unterlassung verbotener Konkurrenztätigkeit, ist der Gegenstandswert an dem Interesse des Arbeitgebers an der Unterlassung der Konkurrenztätigkeit auszurichten. Dabei ist insbesondere die von ihm befürchtete Umsatz- oder Gewinneinbuße zu berücksichtigen.
3. Bei einer Widerklage wegen Schadensersatzes aus verbotener Konkurrenztätigkeit sind Abschläge wegen der Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich alsbald durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom vertraglichen Wettbewerbsverbot zu lösen, zu machen.
Normenkette
GKG § 48 Abs. 1; ZPO § 3; GKG § 42 Abs. 2, § 45 Abs. 3; Streitwertkatalog Arbeitsgerichtsbarkeit Nrn. 1, 21.3, Nr. 25.1.3, Nr. 29
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 08.07.2022; Aktenzeichen 5 Ca 2843/21) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 08.07.2022, Az. 5 Ca 2843/21 abgeändert.
2. Der Gegenstandswert für die Gebührenberechnung wird für das Verfahren auf 1.017.996,99 € und für den Vergleich auf 1.036.060,84 € festgesetzt.
3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Parteien stritten in der Hauptsache um den Bestand des Arbeitsverhältnisses (zwei Kündigungen vom 17.06.2021 und vom 02.02.2022, Auflösungsantrag des Klägers) und im Wege der Widerklage um Untersagung des Tätigwerdens für einen Wettbewerber (Widerklageantrag zu 1), Auskunft über die vom Kläger für den Wettbewerber vermittelten Kunden (Widerklageantrag zu 2), Schadensersatz für sämtlichen durch die Vermittlung der Kunden entstandenen gegenwärtigen und zukünftigen Schaden (Widerklageantrag zu 3) sowie Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 165.438,- €, im Verfahren korrigiert auf 164.015,- € (Widerklageantrag zu 4).
Das monatliche Bruttoeinkommen des Klägers betrug 18.063,85 €. Die Beklagte hat den durch die vom Kläger vorgenommenen streitigen Abwerbungen von Kunden verursachten Umsatzausfall auf jährlich 828.487,- € netto und einen hieraus resultierenden Schaden auf jährlich 164.015,- € beziffert.
Das Verfahren endete durch gerichtlich festgestellten Vergleich vom 28.06.2022. Darin einigten sich die Parteien u.a. auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2021, die Zahlung einer Abfindung, die Erteilung eines Zeugnisses auf Basis des erteilten Zwischenzeugnisses vom 01.12.2020 und eine Abgeltungsklausel. Wegen das genauen Wortlauts des Vergleichs wird auf Blatt 230 f der Akten Bezug genommen.
Der Klägervertreter regte mit Schreiben vom 01.07.2022 an, den Streitwert auf 2.080.070,90 €, den überschießenden Vergleichswert auf 701.730,24 € festzusetzen. Der Bestandsstreit sei mit insgesamt 6 Monatsgehältern zu bewerten, der Auflösungsantrag mit einem weiteren Monatsgehalt. Hinsichtlich des Untersagungsantrags sei von der Umsatzeinbuße für ein Jahr auszugehen. Der Auskunftsanspruch sei mindestens mit einem Viertel des Schadens von vier Jahren, also mit 828.487,- € zu bewerten. Der Widerklageantrag zu 3 sei mit 80 % des Jahresschadens zu bewerten = 131.212,- €, der Widerklageantrag zu 4 mit dem eingeklagten Betrag. Der Vergleichswert sei im Hinblick auf die Einigung über das Zeugnis um ein Bruttomonatsgehalt zu erhöhen, im Hinblick auf die hilfsweise erklärte Aufrechnung im Prozess um weitere 27.606,39 € und die erledigten Schadensersatzansprüche für bezogen auf weitere drei Jahre (3 × 164.015,- €). Der Klägervertreter errechnet hieraus einen überschießenden Vergleichswert von 701.730,24 €. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 01.07.2022 (Blatt 234 ff der ...