Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösung des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Frage, ob es dem Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen unzumutbar ist, einen Auszubildenden weiterzubeschäftigen, ist nicht nur auf den Ausbildungsbetrieb, sondern auf die Gesamtsituation des Unternehmens abzustellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber die wirtschafts- und personalpolitischen Entscheidungen zentral und für alle Betriebe verbindlich trifft.
2. Es kommt im Rahmen des § 78 a Abs. 4 BetrVG nicht darauf an, ob sich der Arbeitgeber im konkreten Fall von einer Benachteiligungsabsicht hat leiten lassen. Vielmehr hat der Gesetzgeber dem Auszubildenden, der in der Jugendvertretung tätig war, eine gegenüber dem sonstigen Auszubildenden bevorzugte Stellung eingeräumt 71.
Normenkette
BetrVG § 78a
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Beschluss vom 20.10.1995; Aktenzeichen 10 BV 5/95 W) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten 2. – 4. vom 18.12.1995 gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Würzburg vom 20.10.1995 wird der Beschluß wie folgt abgeändert:
Der Antrag wird abgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein gemäß § 78 a Betriebsverfassungsgesetz begründetes Arbeitsverhältnis aufzulösen ist.
Die Antragstellerin unterhält in Würzburg eine Niederlassung. Der Beteiligte M. begann am 09.09.1991 in der Niederlassung Würzburg eine Ausbildung zum Kommunikationselektroniker. Das Ausbildungsverhältnis endete mit Bestehen der Abschlußprüfung am 21.02.1995.
Der Beteiligte M. ist Ersatzmitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung in der Niederlassung Würzburg. Am 22.07.1994 und am 13.01.1995 nahm er an Sitzungen der Jugend- und Auszubildendenvertretung teil.
Mit Schreiben vom 10.02.1995, das der Antragstellerin am 13.02.1995 zuging, verlangte der Beteiligte M. die Weiterbeschäftigung nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses. Am 01.03.1995 stellte die Antragstellerin den Antrag, das Arbeitsverhältnis aufzulösen.
In einem Schreiben des Vorstandes der Antragstellerin vom 20.12.1993 (Bl. 11 d.A.) an die Präsidenten der Direktionen … wurde im Hinblick auf einen sich zunehmend verschärfenden Wettbewerb sowie die Notwendigkeit der Kostenreduzierung auf das Ziel hingewiesen, den Personalbestand bis zum Geschäftsjahr 1996 um 30.000 Kräfte zu senken. Als Maßnahme zur Personalabsenkung wurde ein grundsätzlicher Einstellungsstop für 1994 genannt. Unter dem 13.12.1994 (Bl. 9 d.A.) teilte die Generaldirektion der Antragstellerin mit, der Vorstand habe zur Übernahme der Auszubildenden in Beschäftigungsverhältnisse bei … nach Abschluß ihrer Ausbildung für 1995 unter anderem beschlossen, eine Quote von 200 Ke-Verkürzern (Prüfungsjahrgang 1996) zu übernehmen. Bei den sogenannten Ke-Verkürzern handelt es sich um Auszubildende, die aufgrund besonders guter Leistungen ihre Ausbildung vorzeitig beenden können, so daß die betreffenden Auszubildenden des Prüfungsjahrgangs 1996 die Prüfung bereits im Sommer 1995 ablegen konnten.
In einem weiteren Schreiben der Generaldirektion vom 28.02.1995 (Bl. 55 d.A.) wurde ausgeführt, es sei bis zum Jahr 2000 eine Verringerung der Mitarbeiterzahl um 60.000 Kräfte nötig, der Personalabbau Solle möglichst sozialverträglich unter Ausnutzung der Fluktuation bei gleichzeitiger Minimierung der Neueinstellungen erfolgen. In dem Schreiben heißt es weiter:
„Trotz dieser Voraussetzungen können den Nachwuchskräften unter Berücksichtigung der momentanen und mittelfristigen personalwirtschaftlichen Situation 200 Arbeitsplätze für Kommunikationselektroniker/-in (Ke(n)) sowie insgesamt 400 Arbeitsplätze in den neuen und alten Bundesländern für Kaufleute für Bürokommunikation (KfB) angeboten werden.
Die Arbeitsplätze für Ke(n) werden ausschließlich den Auszubildenden des Prüfungsjahrgangs 1996 angeboten, die wegen guter Leistungen ihre Ausbildung voraussichtlich im Juli/August 1995 vorzeitig abschließen. Den Ke(n) und Elektromechanikern/innen (EMe(n)) die im Januar/Februar 1995 die Ausbildung beenden, kann kein Arbeitsplatz angeboten werden.”
Die 200 Arbeitsplätze wurden nach einer von der Generaldirektion festgesetzten Quote auf die einzelnen Niederlassungen verteilt. Die Niederlassung Würzburg erhielt keine Zuteilung.
Das Arbeitsgericht hat entsprechend dem Antrag der Antragstellerin mit Beschluß vom 20.10.1995 das Arbeitsverhältnis aufgelöst.
Der Beschluß wurde den Beteiligten 2. – 4. am 23.11.1995 zugestellt. Die Beteiligten 2. – 4. legten am 20.12.1995 gegen den Beschluß Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründungsschrift ging am 17.01.1996 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg ein.
Mit der Beschwerde verfolgen die Antragsgegner ihr Verfahrensziel, den Antrag abzuweisen, weiter. Die Antragsgegner machen geltend, die Festlegung der Zahl der übernommenen Auszubildenden sei nicht nachvollziehbar und erscheine als willkürlich. Als ebenso willkürlich müsse die Festlegung erscheinen, daß die Niederlassung Würzburg quotal nicht bedacht worden sei, obwohl gerade in...