Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung der Wahl freigestellter Betriebsratsmitglieder. Rechtsschutzbedürfnis. Sonstiges

 

Leitsatz (amtlich)

Für eine gerichtliche Entscheidung über einen konkreten betriebsverfassungsrechtlichen Vorgang besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, wenn der Vorgang abgeschlossen ist und keine Rechtsfolgen mehr erzeugt (hier: Durchführung einer erneuten Wahl aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder mit der Stimmenmehrheit des § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG nach Anfechtung einer vorausgegangenen Freistellungswahl). Sind konkrete Streitfälle Ausdruck einer generellen Streitfrage, die immer wieder zu ähnlichen Auseinandersetzungen führen kann, kann ein berechtigtes Interesse daran gegeben sein, über den konkreten Anlass hinaus eine Entscheidung über eine betriebsverfassungsrechtliche Grundsatzfrage zu erlangen. In solchen Fällen muss ein Antrag gestellt werden, der die vom Anlassfall losgelöste allgemeine Frage hinreichend deutlich umschreibt und zum Verfahrensgegenstand macht (im Anschluss an BAG vom 20.04.1999, AP Nr. 43 zu § 81 ArbGG 1979).

 

Normenkette

BetrVG § 38 Abs. 2, § 19

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die freizustellenden Mitglieder des Antragsgegners und Beteiligten zu 2. nicht gesondert für abweichend vom Sitz des Betriebsrats festgelegte Freistellungsorte im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 des Zuordnungstarifvertrags für die B. AG vom 15. Mai 2003 zu wählen sind, sondern einheitlich in einem einzigen Wahlgang.

2. Im Übrigen ist das Verfahren erledigt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird hinsichtlich der in Ziffer 1. getroffenen Feststellung zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Gegenstand des Verfahrens war zunächst die Frage der Wirksamkeit der Wahl der freizustellenden Mitglieder des Antragsgegners und Beteiligten zu 2. vom 19.05.2004.

Der Antragsteller und Beteiligte zu 1. ist Betriebsratsmitglied des Antragsgegners und Beteiligten zu 2. und als Kandidat für den Wahlvorschlag der Liste 2 in den Betriebsrat gewählt worden. Der Antragsgegner und Beteiligte zu 2. ist der bei der Beteiligten zu 3. bestehende Betriebsrat, der sich aus insgesamt 25 Mitgliedern zusammensetzt. Davon sind 23 Betriebsratsmitglieder über die Liste 1 (Gewerkschaft ver.di) und 2 Betriebsratsmitglieder über die Liste 2 (Gewerkschaft DBVKOM) in den Betriebsrat gewählt worden. Der Beteiligte zu 4. ist ebenfalls über die Liste 2 in den Betriebsrat gewählt worden.

Für den Bereich der Beteiligten zu 3. gilt ein Zuordnungstarifvertrag für die B. AG vom 15. Mai 2003 (Zuordnungs-TV); dieser Tarifvertrag enthält u.a. Regelungen hinsichtlich der Zuordnung von Betriebsteilen sowie Regelungen, den Freistellungsumfang (§ 5) sowie die Bildung von Freistellungsorten (§ 4 Abs. 2) betreffend. Gemäß Zuordnungs-TV sind für den Bereich der Beteiligten zu 3. 16 Betriebsratsmitglieder freizustellen im Sinne des § 38 Abs. 1 BetrVG.

In der konstituierenden Sitzung des Beteiligten zu 2. am 19.05.2004 wurde zunächst der Beschluss gefasst, dass für die Freistellungen so genannte Betreuungsbereiche gemäß § 4 Abs. 2 Zuordnungs-TV gebildet werden. Die anschließend durchgeführten Wahlen der freizustellenden Betriebsratsmitglieder wurden sodann für jeden einzelnen Betreuungsbereich durchgeführt. Ergebnis dieser Freistellungswahlen war, dass nur Betriebsratsmitglieder, welche über die Liste 1 in den Betriebsrat gewählt worden waren, freigestellt worden sind.

Der Antragsteller und Beteiligte zu 1. ist der Ansicht, die vorherige Bildung von Betreuungsbereichen und die getrennt für jeden einzelnen Betreuungsbereich durchgeführte Freistellungswahl sei rechtswidrig, insbesondere werde der sich aus § 38 BetrVG ergebende Minderheitenschutz untergraben.

Das Arbeitsgericht hat die Freistellungswahlen vom 19.05.2004 für unwirksam erklärt. Der vom Antragsgegner und Beteiligten zu 2. durchgeführte Wahlvorgang habe sowohl gegen den Zuordnungstarifvertrag als auch gegen § 38 Abs. 2 BetrVG verstoßen. § 38 Abs. 2 BetrVG lasse keine vom Gesetz abweichende Regelung über das Wahlverfahren zu; § 38 Abs. 2 BetrVG sehe keine Regelung vor, wie sie in § 38 Abs. 1 Satz 5 BetrVG enthalten sei. Auch der Zuordnungstarifvertrag gehe in § 4 davon aus, dass vor Festlegung der Betreuungsorte die Wahl der Freistellungen bereits stattgefunden habe.

In der Folge hat der Antragsgegner und Beteiligte zu 2. am 29.09.2005 sowie am 14.12.2005 erneute Wahlen jeweils zur Bestimmung aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder durchgeführt. Beiden Wahlen hat der Antragsgegner und Beteiligte zu 2. seine Rechtsauffassung zugrunde gelegt, wonach die Freistellungswahl gesondert für jeden Betreuungsbereich stattzufinden habe.

Im Beschwerdeverfahren stimmten alle Beteiligten darin überein, dass sich die bis dahin gestellten Anträge durch die mittlerweile durchgeführten Neuwahlen hinsichtlich der freigestellten Betriebsratsmitglieder erledigt hätten. Der Antragsteller hat daraufhin folgenden geänderten Antrag gestellt:

Es wird festgestellt, dass die freizustellenden Mitglieder des Antragsgegners und Beteiligten...

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