Entscheidungsstichwort (Thema)
Orchesterstreit um Sitzplätze der ersten Geigen. unbegründeter Unterlassungsantrag des Betriebsrats gegen rechtsgrundlose Anordnung des Arbeitgebers zur Teilnahme an Mediationsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zeit der Teilnahme an einem vom Arbeitgeber veranlassten Mediationsverfahren stellt für die teilnehmenden Arbeitnehmer keine Arbeitszeit i.S.v. § 87 Abs. 1 Nrn. 2 u. 3 BetrVG dar.
2. Die Teilnahme an einem Mediationsverfahren unterliegt nicht dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 u. 2. GewO.
3. Ordnet ein Arbeitgeber die Teilnahme an einem Mediationsverfahren für bestimmte Arbeitnehmer verpflichtend an, so ergibt sich allein aus der Gesetzeswidrigkeit einer solchen Anordnung kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Normenkette
BetrVG § 23 Abs. 3 S. 1, § 87 Abs. 1 Nrn. 2-3; GewO § 106 Sätze 1-2; MediationsG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 24.04.2012; Aktenzeichen 5 BV 168/11) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 24.04.2012, Aktenzeichen: 5 BV 168/11, in Ziffern 1. und 2. abgeändert.
2. Die Anträge werden abgewiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats und Beteiligten zu 1. wegen der Verletzung von Mitbestimmungsrechten.
Der Beteiligte zu 2. ist der Trägerverein der N..., einem Konzertorchester mit 60 Mitgliedern. Die ersten Geigen sind mit insgesamt 12 Musikern besetzt.
Der Antragsteller ist der bei dem Beteiligten zu 2. gebildete fünfköpfige Betriebsrat.
Zwischen den Musikern der ersten Geigen war ein Streit über die Verteilung der Sitzplätze hinter dem ersten und dem zweiten Pult entstanden, da vom Sitzplatz indirekt auf die Stellung im Kollektiv im Sinne einer unsichtbaren Hierarchie geschlossen werden könne. Die betroffenen Musiker traten an die Intendanz heran und baten um Unterstützung bei der Beilegung des Streites. Den betroffenen Musikern wurde die Teilnahme an einem Mediationsverfahren angeboten, an dem jedoch nicht alle Musiker der ersten Geigen teilnahmen. Die Intendanz wurde daraufhin von den Teilnehmern des Mediationsverfahrens gebeten, verpflichtend für alle Musiker der ersten Geigen ein Abschlussgespräch anzusetzen.
Im Juni 2011 legte der Intendant des Beteiligten zu 2. dem Betriebsrat einen Dienstplan für den Monat Juli 2011 vor, der für den 20.07.2011 neben der allgemeinen Probe eine verpflichtende Dienstbesprechung aller Musiker der ersten Geigen vorsah. Der Betriebsrat lehnte diesen Dienstplan ab. Ein neuer Dienstplan sah die Dienstbesprechung der Musiker der ersten Geigen nicht mehr vor. In der Folgezeit schrieb der Beteiligte zu 2. die Musiker der ersten Geigen an und teilte diesen mit, dass am 20.07.2011 ein Gesprächstermin stattfinde, an dem diese verpflichtend teilzunehmen hätten.
Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberseite daraufhin auf, klarzustellen, dass diese Teilnahme außerhalb der Arbeitszeit stattfände und damit rein freiwillig sei. Dieser Aufforderung kam der Arbeitgeber nicht nach.
Der Betriebsrat ist der Ansicht, dass sich bei Orchestermusikern die Arbeitszeit auf die im Dienstplan vorgesehenen Dienste beschränke. Ordne der Arbeitgeber darüber hinaus die verpflichtende Teilnahme an einem Gruppengespräch an, so sei der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG bezüglich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit betroffen. Der Verstoß sei auch als grob zu bezeichnen, da der Arbeitgeber trotz entsprechender Erläuterung der Rechtslage durch den Betriebsrat nicht dazu bereit gewesen sei, den betroffenen Musikern wenigstens mitzuteilen, dass die Teilnahme freiwillig sei.
Nach Auffassung des Beteiligten zu 2. sei die ursprüngliche Bekanntgabe des Termins des Gruppengesprächs über den Dienstplan zweckmäßig erschienen. Nachdem der Betriebsrat die Zustimmung zu dem vorgelegten Dienstplan mit dem Hinweis abgelehnt habe, dass die Dienstbesprechung für die ersten Geigen freiwillig sein müsse, seien die Musiker durch persönliche Anschreiben informiert worden. Die Teilnahme an dem Gruppengespräch sei ein Dienst im Sinne des geltenden Tarifvertrages und müsse nicht im Dienstplan aufgenommen werden. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats erstrecke sich nicht auf die Lage des im Streit stehenden Gruppengesprächs. Es mangele bereits an einem kollektiven Tatbestand. Fünf der betroffenen acht Musiker hätten an dem Mediationsverfahren freiwillig teilgenommen. Der Intendant sei dem Wunsch der an dem Mediationsverfahren teilnehmenden Musiker an einem verbindlichen Abschlussgespräch für alle ersten Geigen nachgekommen. Werde im Interesse des Betriebsfriedens und auf Bitten eines Teils der betroffenen Arbeitnehmer ein Gruppengespräch zur Beilegung eines internen Streites angeordnet, so bestehe kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Hinblick auf die zeitliche Lage dieses Termins...