Revision eingelegt – 4 AZR 103/04
Entscheidungsstichwort (Thema)
sonstiges. Auslegung. Persönlicher Geltungsbereich
Leitsatz (redaktionell)
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Tarifnormen ebenso wie Gesetzesnormen nur für die Zukunft gelten. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit ist für eine Rückwirkung, die sich auf in der Vergangenheit liegende Tatbestände erstreckt, eine klare und unmissverständliche Vereinbarung erforderlich. Dies ergibt die Auslegung des zur Entscheidung gestellten Tarifvertrags nicht.
Normenkette
TVG §§ 1, 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Urteil vom 19.03.2003; Aktenzeichen 6 Ca 2485/02 A) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 19.03.2003, Az. 6 Ca 2485/02 A wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, der vor Abschluss eines Altersteilzeittarifvertrages (im Folgenden Atz-TV) einzelvertraglich ein Altersteilzeitverhältnis mit der Beklagten vereinbart hatte, begehrt mit der Klage eine Abfindung nach den Bestimmungen des Atz-TV.
Der am 19.11.1942 geborene und langjährig bei der Beklagten beschäftigte Kläger schloss am 03.11.1999 eine Altersteilzeitvereinbarung, wonach seit 01.01.2000 das bis dahin bestehende Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitverhältnis fortgeführt wurde und am 31.12.2002 endete. Auf die in Kopie vorliegende Altersteilzeitvereinbarung vom 03.11.1999 (Bl. 7–9 d.A.) wird Bezug genommen, ebenso auf den Atz-TV vom 16.05.2000 (Bl. 10–19 d.A.).
Der Atz-TV enthält u.a. folgende Regelungen:
„§ 1 Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für die Standorte in Aschaffenburg und Albertshausen, sowie persönlich für alle gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und alle Angestellten der Petri Aktiengesellschaft an diesen Standorten.
§ 2 Anspruch auf Altersteilzeit
Arbeitnehmerinnen, und Arbeitnehmer, die dem begünstigten Personenkreis des § 2 Altersteilzeitgesetz angehören und das 57. Lebensjahr vollendet haben, erwerben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Tarifvertrages einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages mit mindestens zweijähriger bis zu sechsjähriger verblockter Altersteilzeit.
…
§ 4 Vereinbarte Altersteilzeit
Auch wenn im Einzelfall nach den Bestimmungen dieses Tarifvertrages der Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nicht gegeben ist, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein bis zu 6jährig verblocktes Altersteilzeitverhältnis mit der materiellen Ausstattung dieses Tarifvertrages vereinbaren.
Arbeitnehmer mit Ansprüchen nach § 2 dieses Tarifvertrages sind vorrangig zu berücksichtigen.
…
§ 10 Abfindung
Arbeitnehmer der. Geburtsjahrgänge 1942 und später erhalten am Ende ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für den Verlust ihres Arbeitsplatzes eine Abfindung ….”
Das Arbeitsgericht hat mit dem am 19.03.2003 verkündeten Endurteil die Klage abgewiesen und ausgeführt, eine Auslegung des Tarifvertrages nach dem Regelungszusammenhang ergebe, dass ein. Abfindungsanspruch nur für solche Altersteilzeitvereinbarungen bestehe, die nach In-Kraft-Treten des Tarifvertrages (01.06.2000) abgeschlossen werden. Dies sei beim Kläger nicht der Fall gewesen.
Der Tarifvertrag regle nach seinem Wortlaut nicht eindeutig, ob er nur für solche Altersteilzeitvereinbarungen eine Abfindung vorsehe, die nach seinem In-Kraft-Treten und auf der Grundlage des § 2 Atz-TV abgeschlossen würden oder ob er auch früher abgeschlossene Altersteilzeitvereinbarungen erfasse, wenn das Arbeitsverhältnis nur während der Laufzeit des Tarifvertrages ende. Eine Regelung im letztgenannten Sinn wäre auch trotz einer darin liegenden Rückwirkung durchaus zulässig, da die rückwirkenden Normen die betroffenen Arbeitnehmer lediglich begünstigten und der belastete Arbeitgeber als Vertragspartner des Firmentarifvertrages selbst über seine Belastung entschieden habe.
Im Tarifvertrag seien der Anspruch auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung (§ 2), ihre Inhalte (§§ 3–9) und der Anspruch auf Abfindung (§ 10) geregelt. Diese Regelungen seien nach ihrem Zusammenhang systematisch verknüpft und aufeinander bezogen. Erst mit In-Kraft-Treten des Tarifvertrages entstehe ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung nach den tariflichen Vorgaben und der an den Anspruch auf eine solche Altersteilzeitvereinbarung anknüpfende Abfindungsanspruch. Die Regelung in § 2 Atz-TV „nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Tarifvertrages einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages” weise nach der gewählten Formulierung eindeutig in die Zukunft. Es sei außerdem zu berücksichtigen, dass der Kläger auch nicht von den Einschränkungen des § 2 Abs. 2 und 3 Atz-TV erfasst gewesen sei, wonach ein Anspruch auf Altersteilzeit ausgeschlossen sei, wenn 5 % der Arbeitnehmer des Betriebs von einer derartigen Regelung Gebrauch gemacht hätten.
Wo...