Revision eingelegt – 4 AZR 105/04

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung. Altersteilzeit. Spätere tarifliche Regelung zur Altersteilzeit. Abfindung nach Tarifvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

Vor Inkrafttreten eines Tarifvertrags zur Altersteilzeit werden einzelvertraglich vereinbarte Altersteilzeitverhältnisse von dem später abgeschlossenen Tarifvertrag nur mit umfasst, wenn nach dem in diesem Tarifvertrag erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien auch schon abgeschlossene Altersteilzeitverhältnisse einbezogen werden sollten.

 

Normenkette

TVG § 1 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Urteil vom 13.02.2003; Aktenzeichen 5 Ca 1140/02 A)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 01.12.2004; Aktenzeichen 4 AZR 105/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg/Kammer Aschaffenburg vom 13.02.2003 – Az.: 5 Ca 1140/02 A – wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Begründetheit eines von der Klägerin geltend gemachten Abfindungsanspruches gemäß § 10 des zwischen der Beklagten und der Industriegewerkschaft Metall unter dem 16.05.2000 abgeschlossenen Altersteilzeittarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellte (künftig: Atz-TV) der Beklagten.

Die Klägerin, die seit über 25 Jahren bei der Beklagten beschäftigt war, hat am 11.02.2000 eine Altersteilzeitvereinbarung abgeschlossen. Das Altersteilzeitverhältnis hat am 31.08.2003 geendet.

Der Atz-TV enthält unter anderem folgende Regelungen:

㤠1 Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt, räumlich für die Standorte in A. und A., sowie persönlich für alle gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und alle Angestellten der Petri Aktiengesellschaft an diesen Standorten.

§ 2 Anspruch auf Altersteilzeit

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dem begünstigten Personenkreis des § 2 Altersteilzeitgesetz angehören und das 57. Lebensjahr vollendet haben, erwerben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Tarifvertrages einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages mit mindestens zweijähriger bis zu sechsjähriger verblockter Altersteilzeit.

§ 4 Vereinbarte Altersteilzeit

Auch wenn im Einzelfall nach den Bestimmungen dieses Tarifvertrages der Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nicht gegeben ist, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein bis zu 6jährig verblocktes Altersteilzeitverhältnis mit der materiellen Ausstattung dieses Tarifvertrages vereinbaren.

Arbeitnehmer mit Ansprüchen nach § 2 dieses Tarifvertrages sind vorrangig zu berücksichtigen.

§ 10 Abfindung

Arbeitnehmer der Geburtsjahrgänge 1942 und später erhalten am Ende ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für den Verlust ihres Arbeitsplatzes eine Abfindung ….”

Das Arbeitsgericht hat seine die Klage abweisende Entscheidung im Kern wie folgt begründet:

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Abfindung aus dem Atz-TV zu, da ihr Altersteilzeitverhältnis von diesem nicht erfasst werde. Durch die am 11.02.2000 abgeschlossene Altersteilzeitvereinbarung sei das Altersteilzeitarbeitsverhältnis der Klägerin abschließend geregelt worden. Eine Anwendbarkeit des Atz-TV vom 16.05.2000, der am 01.06.2000 in Kraft getreten sei, auf das Altersteilzeitverhältnis der Klägerin wäre nur dann anzunehmen, wenn der tariflichen Regelung eine Rückwirkung entnommen werden könnte. Hierbei würde es sich um einen Fall der sog. -unechten Rückwirkung, also der tatbestandlichen Rückanknüpfung handeln, da an einen in der Vergangenheit liegenden Tatbestand (Vertragsschluss, der Klägerin) angeknüpft werde, aber die Rechtsfolgen für die Gegenwart und die Zukunft geregelt worden seien. Die Tatsache, dass das Altersteilzeitarbeitsverhältnis der Klägerin erst ab September 2000 beginnen habe sollen, habe daran nichts geändert, da das Altersteilzeitverhältnis bereits mit Vertragsschluss vom 11.02.2000 abschließend für beide Seiten verbindlich geregelt worden sei. Eine Rückwirkung, die im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit eine klare und unmissverständliche Vereinbarung erfordere, enthalte der Atz-TV jedoch nicht. Auch eine Auslegung des Tarifvertrages führe zu keinem anderen Ergebnis. So bestimme § 2 des Atz-TV, dass näher bezeichnete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer „nach Maßgabe der Bestimmungen diese Tarifvertrages einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages” erwerben würden. Diese Formulierung richte sich eindeutig in die Zukunft. Aus ihr zu schließen, die „Maßgaben dieses Tarifvertrages” solle sich auch auf diejenigen Personen beziehen, die bereits einen Altersteilzeitvertrag hätten, liefe dem allgemeinen Sprachverständnis zuwider. In diesem Zusammenhang sei auch § 10 des Atz-TV zu lesen, der die Abfindungsregelung enthalte. § 10 enthalte insoweit eine „Maßgabe” im Sinne von § 2 Atz-TV. Zwar wäre es nach dem reinen Wortlaut des § 10 Atz-TV denkbar, ihn auf das Altersteilzeitarbeitsverhältnis der Klägerin anzuwenden, jedoch könne diese Vorschrift nicht isoliert und au...

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