Entscheidungsstichwort (Thema)
Mittelbare Benachteiligung von Frauen durch Sozialplanregelung zum Abfindungszuschlag für in der Lohnsteuerkarte eingetragene unterhaltsberechtigte Kinder
Leitsatz (amtlich)
Die Regelung in einem Sozialplan, die einen Zuschlag für unterhaltsberechtigte Kinder nur dann vorsieht, wenn diese in die Lohnsteuerkarte eingetragen sind, stellt eine mittelbare Diskriminierung von Frauen dar, wenn diese die Lohnsteuerklasse V haben und deshalb ein Kind bei ihnen steuerlich nicht berücksichtigt werden kann (§ 38b Abs. 2 EStG).
Normenkette
AGG §§ 1, 3 Abs. 2, § 7 Abs. 2, 1; EStG § 38b Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Weiden (Entscheidung vom 23.10.2014; Aktenzeichen 4 Ca 906/14) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden - Kammer Schwandorf - vom 23.10.2014 abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.000,00 € brutto sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.03.2014 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe einer Abfindung.
Die Klägerin war seit 01.05.1995 bei der Beklagten in deren Betrieb in A-Stadt in Teilzeit beschäftigt.
Die Klägerin ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Sie hatte 2013 die Lohnsteuerklasse V, ihr Ehemann die Lohnsteuerklasse III.
Die Beklagte beschloss im Jahr 2013, das Projekt "N..." durchzuführen. Dies beinhaltete u.a. eine Änderung der Standortstruktur. Hiervon war auch der Betrieb in A-Stadt betroffen, er wurde stillgelegt.
Die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat schlossen unter dem 04.12.2013 einen Sozialplan. Unter Ziffer 5 ist die Zahlung einer Abfindung geregelt. Danach erhält ein abfindungsberechtigter Mitarbeiter neben der Grundabfindung einen Kinderzuschlag. Die entsprechende Regelung lautet:
Der Zuschlag für jedes auf der Lohnsteuerkarte zum 4. Dezember 2013 vermerktes Kind beträgt 2.500 EUR brutto.
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete aufgrund ordentlicher Kündigung der Klägerin zum 15.01.2014. Die Beklagte zahlte an die Klägerin die Grundabfindung in Höhe von 18.241,64 € brutto. Den Kinderzuschlag erhielt die Klägerin nicht.
Die Klägerin erhob am 15.04.2014 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Weiden, mit der sie für ihre beiden Kinder jeweils eine Erhöhung der Abfindung um 2.500,00 € brutto fordert.
Das Arbeitsgericht wies die Klage mit Endurteil vom 23.10.2014 ab.
Das Urteil wurde der Klägerin am 02.12.2014 zugestellt.
Die Klägerin legte gegen das Urteil am 30.12.2014 Berufung ein und begründete sie am 06.02.2015. Bis dahin war die Berufungsbegründungsfrist verlängert worden.
Die Klägerin macht geltend, es würden, wenn die Kinder nicht berücksichtigt würden, verheiratete Eltern schlechter gestellt als unverheiratete, da ein Eintrag der Kinder bei ihr steuerrechtlich gar nicht möglich sei. Aufgrund der Regelung im Sozialplan werde sie als Frau mittelbar diskriminiert. Unter Bezugnahme auf das Statistische Bundesamt macht die Klägerin geltend, Frauen seine wesentlich häufiger teilzeitbeschäftigt als Männer. Da sie dann weniger verdienten als Männer, werde die Lohnsteuerklasse V gewählt.
Die Klägerin beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 23.10.2014, zugestellt am 02.12.2014, Az. 4 Ca 906/14 wird aufgehoben und die Beklagte wird nach den Schlussanträgen der 1. Instanz verurteilt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beklagte beantragt:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 23. Oktober 2014 - Az. 4 Ca 906/14 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beklagte macht geltend, die Klägerin habe keine Umstände dargelegt, die zu einer mittelbaren Diskriminierung führten. Sie habe lediglich eine Teilgruppe der Mitarbeiter betrachtet. Mitarbeiter, die ihre Kinder auf der Lohnsteuerkarte hätten eintragen lassen, würden bevorzugt. Dies seien beispielsweise alleinerziehende Mütter mit der Lohnsteuerklasse II und Familienväter mit der Lohnsteuerklasse I. Es gebe Mitarbeiter, deren Kinder nicht mehr eingetragen werden könnten, weil diese zu alt seien, oder auch Mitarbeiter mit der Lohnsteuerklasse V oder VI. Bei der Vergleichsgruppenbildung müssten Personen, die von der Regelung positiv betroffen seien, mit Personen verglichen werden, die nicht unter die Regelung fielen. Dabei müsse auf sämtliche Personen eingegangen werden, die von dieser Regelung betroffen seien. Dies seien bei dem vorliegenden Sozialplan alle Mitarbeiter, die ein Härtefall im Sinne der Ziffer 2 des Sozialplans seien und daher generell einen Anspruch auf eine Sozialplanabfindung hätten.
Die Beklagte führt aus, die Regelung sei aus Nachweisbarkeits- und Vereinfachungsgründen gerechtfertigt. Sie sei außerdem aus Gründen des Kindeswohls gerechtfertigt. Gerade die Mitarbeiter, die aufgrund ihres Einkommens für die Kinder finanziell sorgen müssten, w...