Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsrecht. Insolvenz. Elternzeit. Betriebsbedingte Kündigung einer Arbeitnehmerin in Elternzeit bei insolvenzbedingter Betriebsstilllegung
Leitsatz (amtlich)
Im Falle einer Betriebsstilllegung ist der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet, einer in Elternzeit befindlichen Mitarbeiterin nur deshalb eine von § 113 Satz 2 InsO abweichende längere Kündigungsfrist einzuräumen, um sie weiterhin in den Genuss einer beitragsfreien Krankenversicherung kommen zu lassen.
Normenkette
KSchG § 1; InsO § 113; BEEG § 18; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3; InsO § 113 S. 2; BEEG § 18 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 22.09.2011; Aktenzeichen 11 Ca 1160/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 22.09.2011, Az.: 11 Ca 1160/10, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 31.05.2010 aufgrund der Arbeitgeberkündigung vom 09.02.2010.
Die am 12.04.1971 geborene Klägerin ist seit dem 01.12.1991 bei der Firma Q...
S... AG & Co. als Einkäuferin beschäftigt, zuletzt auf der Basis des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 02.12.1998.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 01.09.2009 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet und Dr. K... H... G... zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Insolvenzverwalter kündigte mit Schreiben vom 09.02.2010 (Kopie Bl. 4 d.A.) das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Wirkung zum 31.05.2010.
Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung befand sich die Klägerin in Elternzeit, die ihr mit Schreiben vom 01.02.2010 bis 06.04.2011 verlängert worden war.
Das Gewerbeaufsichtsamt hatte am 01.02.2010 seine Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin erteilt.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17.02.2010, beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangen am 19.02.2010, gegen die ausgesprochene Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben.
Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Endurteil vom 22.09.2011 die Klage abgewiesen.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 19.10.2011 zugestellte Urteil haben diese mit dem am 09.11.2011 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingereichten Schriftsatz vom 07.11.2011 Berufung eingelegt und sie mit dem am Montag, den 21.11.2011 eingegangenen Schriftsatz vom 17.11.2011 begründet.
Die Klägerin behauptet, infolge der Kündigung zum 31.05.2011 verliere sie ihren während der Elternzeit greifenden Vorteil einer beitragsfreien Krankenversicherung. Ihr Ehemann sei erst mit Wirkung ab dem 01.09.2011 wieder in die gesetzliche Krankenversicherung zurückgekehrt und erst ab diesem Zeitpunkt habe wieder die Möglichkeit bestanden, unter den Schutz der Familienversicherung aufgenommen zu werden. Diese Umstände seien dem Insolvenzverwalter bereits im Rahmen des Zustimmungsverfahrens beim Gewerbeaufsichtsamt zur Kenntnis gebracht worden. Insoweit sei es ermessensfehlerhaft, im Rahmen des § 113 InsO von der Möglichkeit der Abkürzung der Kündigungsfrist Gebrauch zu machen und das Arbeitsverhältnis bereits zum 31.05.2010 und nicht erst zum 31.08.2010 zu kündigen. Zumindest hätte die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist gewahrt und das Arbeitsverhältnis erst zum 30.06.2010 gekündigt werden dürfen.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg zum Aktenzeichen 11 Ca 1160/10 vom 22.09.2011, Gründe zugestellt am 19.10.2011, wird abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 09.02.2010 mit Wirkung zum 31.05.2010 sein Ende finden wird, sondern erst zum 31.08.2010, hilfsweise zum 30.06.2010.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 22.09.2011 - Az.: 11 Ca 1160/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Zur Begründung trägt er vor, der Betrieb, in dem die Klägerin beschäftigt gewesen war, sei im Rahmen der Insolvenz zum 28.02.2010 vollständig stillgelegt worden. Entsprechend des mit dem Gesamtbetriebsrat der Insolvenzschuldnerin abgeschlossenen Interessenausgleichs vom 23.11.2009 sei ausnahmslos allen Mitarbeitern gekündigt worden. Bereits am 29.10.2009 habe beim Amtsgericht Essen die Masseunzulänglichkeit angezeigt werden müssen. Insoweit sei es im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger geboten gewesen, auch im Falle der Klägerin von der Kündigungsmöglichkeit gemäß § 113 InsO Gebrauch zu machen. In diesem Zusammenhang sei kündigungsrechtlich ohne Belang, dass infolge der Kündigung der in Elternzeit befindlichen Klägerin deren Vorteil einer beitragsfreie...