Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegungsgrundsätze zum normativen Teil von Tarifverträgen. Tarifliches Härtegeld als einmalige Zahlung mit tariflicher Fälligkeitsregelung

 

Leitsatz (amtlich)

Auslegung des § 2 c des Flexi-Tarifvertrages zur 7-Tage-Woche, dass das sog. Härtegeld nicht jährlich, sondern nur einmalig für die Laufzeit des 7-Tage-Betriebes zu leisten ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des BAG, der sich die erkennende Kammer anschließt, den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Wortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden könne. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil v. 18.02.2014, 3 AZR 808/11 m. weit. Hinw., in Juris recherchiert).

2. Die Auslegung auf diesen Grundlagen ergibt nach Ansicht der erkennenden Kammer, dass der Tarifvertrag-Flexi für die Laufzeit des 7-Tage-Betriebes eine einmalige Zahlung eines Härtegeldes in Höhe von € 600,-- brutto vorsieht, die Bedingungen für den Erhalt zwischen den Betriebspartnern festgelegt werden sollen und insoweit der Tarifvertrag lediglich einen Fälligkeitstermin vorgibt, nämlich die Auszahlung der Einmalzahlung mit der Jahressonderzahlung des Jahres, in dem die von den Betriebsparteien festgelegten Bedingungen für den Erhalt des Härtegeldes bei dem einzelnen Mitarbeiter erfüllt sind.

 

Normenkette

Flexi-TV § 2c Fassung: 2015-09-11; BGB § 611a Abs. 2; Flexi-TV zur 7-Tage-Woche § 7 Fassung: 2015-09-11

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Entscheidung vom 19.02.2018; Aktenzeichen 3 Ca 749/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.03.2021; Aktenzeichen 10 AZR 196/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Schweinfurt - vom 19.02.2018 wird auf Kosten des Berufungsklägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Gewährung eines Härtegeldes nach § 2 c des Flexi-Tarifvertrags zur 7-Tage-Woche vom 11.09.2015 für die Jahre 2016 und 2017 in Höhe von jeweils € 600,-- brutto.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1997 in Vollzeit beschäftigt.

Bis zum Jahr 2005 zahlte die Beklagte an ihre Mitarbeiter nach einer 10-jährigen Betriebszugehörigkeit ein Jubiläumsgeld.

Aufgrund beidseitiger Tarifbindung finden die Vorschriften des Flexi-Tarifvertrages zur 7-Tage-Woche (Flexi-TV) und der Haustarifvertrag Anwendung.

Die erste Regelung zum 7-Tage-Betrieb stammte aus dem Jahr 2005. Der Tarifvertrag zur 7-Tage-Woche vom 13.06.2005 sah ein Härtegeld nicht vor. Der Ergänzungstarifvertrag vom 01.07.2007 regelte in § 3 d) die Zahlung eines Härtegeldes von € 600,-- rückwirkend für die Jahre 2005/2006/2007 und mindestens für die Laufzeit des 7-Tage-Betriebes für alle Beschäftigten. Die Bedingungen für den Erhalt der Sonderzahlung sollten zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat einvernehmlich festgelegt werden.

Die Beklagte zahlte seit dem Jahr 2006 bei zehnjähriger Betriebszugehörigkeit ein Jubiläumsgeld in Höhe von € 600,--. Der Kläger erhielt dieses im Jahr 2007.

Die Tarifvertragsverhandlungen zum Flexi-TV vom 20.07.2012 erfolgten zwischen den Tarifvertragsparteien ausschließlich per E-Mail. Bezüglich des E-Mail-Verkehrs wird auf Blatt 251 bis 283 der Akte verwiesen.

Der Flexi-TV zur 7-Tage-Woche vom 20.07.2012 regelte schließlich unter § 2 d) Folgendes:

"Für die Laufzeit des 7-Tage-Betriebes wird für alle Beschäftigten des Betriebes ein Härtegeld i.H. von 600,-- Euro brutto als Einmalzahlung mit der Jahressonderzahlung bezahlt. ....

Die Bedingungen, die für den Erhalt der Sonderzahlung (Härtegeld) maßgeblich sind, werden zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat einvernehmlich geregelt".

Ohne weitere diesbezügliche Verhandlungen wurde im Flexi-TV vom 11.09.2015 die Regelung zum Härtegeld in § 2 c) unverändert übernommen.

§ 7 des Flexi-TV vom 11.09.2015 lautet:

"Spätestens bis zum 31.10.2015 ist mit dem Betriebsrat nach § 87 BetrVG ein Ampelkonto zu vereinbaren. Besteht keine Einigung ist der Tarifvertrag nicht anwendbar. Danach werden innerhalb von ...

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