Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaub
Leitsatz (amtlich)
1. Beantragt ein Arbeitnehmer, der an einem rechtmäßigen Streik teilnimmt, Erholungsurlaub, so kann daraus nicht ohne weiteres geschlossen werden, er wolle am Streik – für diesen Zeitraum – nicht mehr teilnehmen.
2. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet – zumindest dann nicht, wenn der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich vom Streik Abstand genommen hat –, den Urlaub zu gewähren, da während des Streiks die beiderseitigen Hauptpflichten im Arbeitsverhältnis suspendiert sind.
3. Nimmt der Arbeitnehmer über das Ende des Kalenderjahres und über den Übertragungszeitraum hinaus am Streik teil, so verfällt der Urlaubsanspruch ersatzlos, da seine Erfüllung wegen eines in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden Hindernisses unmöglich geworden ist. Diesem Verfall stehen die Bestimmungen des Manteltarifvertrages vom 27.10.1989 für die gewerblichen Arbeitnehmer der Industrie der Steine und Erden und des Betonsteinhandwerks nicht entgegen.
Normenkette
GG Art. 9 III; BUrlG § 7 I; BUrlG § 7 III
Verfahrensgang
ArbG Weiden (Urteil vom 23.07.1993; Aktenzeichen 1 Ca 237/93 C) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 23. Juli 1993 – 1 Ca 237/93 C – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld für ein Urlaubsjahr an den Kläger, in welchem die Einbringung des Urlaubs wegen eines Streikes nicht erfolgt ist.
Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Granitindustrie im Tarifgebiet Bayerischer Wald. Der Kläger ist seit 1965 bei der Beklagten beschäftigt; er wurde in der Regel zum Saisonschluß bei Winterbeginn gekündigt und nach dem Ende des Winters wieder eingestellt. Im Jahre 1981 erfolgte die Wiedereinstellung am 15.04.1991. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die auch für allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Industrie der Steine und Erden und des Betonsteinhandwerkes in Bayern vom 27.10.1989 – TR 4 – 10a/89 – Anwendung. Hinsichtlich des Urlaubs und des Urlaubsgeldes finden sich in diesem Tarifvertrag – soweit vorliegend von Bedeutung – folgende Bestimmungen:
„Ziffer 111
Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf einen bezahlten Erholungsurlaub.”
…
„Ziffer 116
Der Anspruch auf Urlaub erlischt auch im Falle langanhaltender Krankheit drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres.
Wird vor dem 31. März des betreffenden Jahres der Urlaub angetreten, so ist auch in diesem Falle mit Ablauf des genannten Datums eventuell zustehender Resturlaub erloschen.
Der 31. März ist ausschließlich dann kein Stichtag für den Verfall des übertragenen Urlaubs, wenn dieser nur aus Gründen nicht angetreten werden konnte, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen.”
„Ziffer 124
Arbeitnehmer, die im Laufe des Urlaubsjahres eintreten bzw. ausscheiden, haben in diesem Jahr nur Anspruch auf so viele Zwölftel des Jahresurlaubs, als sie volle Monate beschäftigt waren.”
„Ziffer 131
Die Berechnung des Urlaubsentgeltes erfolgt nach den Grundsätzen der Ziffer 104.”
„Ziffer 132
Nach sechsmonatiger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit ist (Wartezeit) erhält der Arbeitnehmer für jeden tariflichen. Urlaubstag ein zusätzliches Urlaubsgeld …”
„Ziffer 133
Das zusätzliche Urlaubsgeld ist gemeinsam mit der Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zu zahlen. Es fällt nur für volle Urlaubstage an. Falls der Urlaub nicht zusammenhängend genommen wird, können Einzelheiten der Auszahlung im Einvernehmen mit dem Betriebsrat betrieblich geregelt werden.”
„Ziffer 134
Wenn sich der Arbeitnehmer unentschuldigte Fehltage auf den Urlaub anrechnen läßt, entsteht für diese Tage kein Anspruch auf das zusätzliche Urlaubsgeld.”
„Ziffer 136
Der Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld erlischt drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, es sei denn, daß der Urlaub erfolglos geltend gemacht wurde.”.
Im Zeitraum 16.06.1991 bis 13.04.1992 wurde in der Granitindustrie im Bayerischen Wald gestreikt. Auch der Betriebsteil P., in dem der Kläger tätig war, wurde bestreikt. Der Kläger nahm während der gesamten Streikzeit am Streik teil. In den Tagen vor dem 30.10.1991 erstellte der Gewerkschaftssekretär S. eine Geltendmachungsliste für Resturlaub 1991 für 34 Arbeitnehmer des Beschäftigungsbetriebsteiles. In diese Liste – deren genauen Wortlautes wegen wird auf die mit der Berufungsbegründung vorgelegte Ablichtung Bezug genommen (Bl. 72 d.A.) –, die mit „Geltendmachung von Resturlaub 1991” überschrieben ist, sind zeitlich bestimmt die Urlaubswünsche der jeweiligen Arbeitnehmer aufgeführt. Für den Kläger – Nr. 6 der Liste – ist enthalten: „14 Tage vom 18.11. bis 06.12.”. Die Liste wurde vom Betriebsratsvorsitzenden am 30.10.1991 in der Personalabteilung übergeben. Am 04.11.1991 erhielt der Betriebsratsvorsitzende die Liste in Kopie zurück, wobei bei einzelnen Arbeitnehmern, nicht beim Kläger, Anmerkungen und Korrekturen...