Rechtsmittel ist zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. § 15 Abs. 4 und 5 KSchG sind auch hinsichtlich der durch § 15 Abs. 3 a KSchG geschützten Initiatoren einer Betriebsratswahl anwendbar.
2. Bei der Stilllegung eines Betriebsteils mit eigenem Betriebsrat (§ 4 Satz 1 BetrVG) kommt nur § 15 Abs. 4 KSchG und nicht § 15 Abs. 5 KSchG zur Anwendung.
Normenkette
KSchG § 15 Abs. 3a, 4-5
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 09.07.2003, Az.: 5 Ca 1143/02, in Ziffern I. und II. abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten beider Instanzen.
4. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage der Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 02.08.2002 gegenüber dem Kläger ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung zum 30.06.2003.
Der Kläger war seit 01.07.1980 bei der Beklagten in deren Bekleidungshaus in Bayreuth beschäftigt. Er war zuletzt Leiter der Dekorationsabteilung und erzielte ein Bruttomonatsgehalt von EUR 2.974,–.
Die Beklagte hatte Modehäuser in Amberg, Bayreuth, Freiburg, Landshut und Ludwigsburg. Das Bekleidungshaus in Bayreuth legte die Beklagte zum 31.12.2002 still.
Im Bekleidungshaus Bayreuth bestand zunächst kein Betriebsrat. Der Kläger hat am 01.08.2002 zu einer Betriebsversammlung im Rahmen des Wahlverfahrens eingeladen und wurde später in den Betriebsrat und von diesem zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Das Ergebnis der Betriebsratswahl wurde im Oktober 2002 bekannt gemacht.
Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung sei bereits wegen seines besonderen Kündigungsschutzes, den er als Einlader zur Betriebsversammlung habe, unwirksam. Das Bekleidungshaus in Bayreuth sei kein eigenständiger Betrieb, sondern nur eine Betriebsabteilung im Sinne des besonderen Kündigungsschutzes.
Die Beklagte ist der Meinung, die Kündigung des Klägers sei im Hinblick auf die Betriebsstilllegung nach § 15 KSchG zulässig.
Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 02.08.2003 nicht aufgelöst wurde, stattgegeben. Die Kündigung sei gemäß § 15 Abs. 3 a Satz 1 KSchG unzulässig. § 15 Abs. 4 und 5 KSchG sei auf den in § 15 Abs. 3 a KSchG genannten Personenkreis nicht anwendbar. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils wird, auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens im Einzelnen, Bezug genommen.
Zur Begründung ihrer dagegen gerichteten Berufung lässt die Beklagte vorbringen, auch nach der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes sei Mandatsträgern im Sinne des § 15 Abs. 3 a KSchG ein absoluter Kündigungsschutz bei Betriebsstilllegungen nicht zuzuerkennen. Bei der Nichterwähnung von § 15 Abs. 3 a KSchG in § 15 Abs. 4 und 5 KSchG handele es sich nicht um eine bewusste oder unbewusste Regelungslücke, sondern um eine bewusste Regelung des Gesetzgebers. Der Kündigungsschutz der Einladenden solle nicht so weit gehen, dass sie bei Betriebsstilllegungen erst zum Zeitpunkt der Stilllegung gekündigt werden könnten (§ 15 Abs. 4 KSchG) oder in eine andere Betriebsabteilung übernommen werden müssten (§ 15 Abs. 5 KSchG). Im Übrigen habe es sich bei dem Betrieb in Bayreuth um einen eigenständigen Betrieb im Sinne von § 1 BetrVG, § 23 KSchG und nicht um eine Betriebsabteilung des Betriebes in Landshut gehandelt, so dass der Kläger auch bei Anwendbarkeit des § 15 Abs. 5 KSchG nicht in eine andere Abteilung in Landshut habe übernommen werden müssen.
Die Beklagte beantragt:
- Das Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 09.07.2003, Aktenzeichen: 5 Ca 1143/02, wird aufgehoben.
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Kläger beantragt:
Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Kläger lässt ausführen, nach dem klaren Wortlaut des § 15 Abs. 4 KSchG erstrecke sich die Kündigungserleichterung dieser Norm für die Fälle der Betriebsstilllegung nur auf den in den Absätzen 1 bis 3 des § 15 KSchG genannten Personenkreis. Der sogenannte Einlader werde in den Absätzen 1 bis 3 des § 15 KSchG nicht genannt; darüber hinaus erwähne im Gegenzug Absatz 4 dieser Norm nicht den Absatz 3 a. Für den Kündigungsschutz des Einladers sei deshalb nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen ausschließlich § 15 Abs. 3 a KSchG maßgebend. Für die von der Beklagten angedachte analoge Anwendung der Absätze 4 und 5 des § 15 KSchG auch auf den Personenkreis der sogenannten Einlader sei kein Raum. Sollte § 15 Abs. 4 und 5 KSchG entsprechend zur Anwendung kommen, hätte der Kläger in eine andere Betriebsabteilung – beispielsweise in Landshut – übernommen werden müssen, da es sich bei dem „Haus Bayreuth” um einen Betriebsteil gehandelt habe.
Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gew...