Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung
Nachgehend
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 02.08.2003 nicht aufgelöst wurde.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 8.922,– EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist seit 01.07.1980 bei der Beklagten in deren Bekleidungshaus in … beschäftigt. Er war zuletzt Leiter der Dekorationsabteilung und erzielte monatlich 2.974,– EUR brutto.
Mit Schreiben vom 02.08.2002, dem Kläger zugegangen am Folgetag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2003. Mit der zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts am 21.08.2002 erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung als rechtsunwirksam.
Die Stilllegung des Bekleidungshauses der Beklagten in … per 31.12.2002 ist inzwischen unstreitig.
Im Bekleidungshaus … bestand zunächst kein Betriebsrat. Der Kläger hat am 01.08.2002 zu einer Betriebsversammlung im Rahmen des Wahlverfahrens eingeladen und wurde später in den Betriebsrat und von diesem zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Das Ergebnis der Betriebsratswahl wurde im Oktober 2002 bekannt gemacht.
Eine weitere Kündigung hat die Beklagte nicht ausgesprochen.
Der Kläger trägt vor:
Er habe den besonderen Kündigungsschutz des Einladers zur Betriebsversammlung. Das Bekleidungshaus (Modehaus) in … sei kein eigenständiger Betrieb, sondern nur eine Betriebsabteilung im Sinne des besonderen Kündigungsschutzes. Der Leiter des Hauses … habe nicht die Befugnis gehabt, selbständig Personal ein- und auszustellen.
Der Kläger stellt den Antrag:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 02.08.2002 zum 30.06.2003 nicht aufgelöst wird.
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Die Beklagte trägt vor:
Die Kündigung des Klägers sei wegen Betriebsstilllegung zulässig. Der Kläger möge zwar den besonderen Kündigungsschutz des Einladers gehabt haben. Nach § 5 KSchG sei aber die Kündigung der Mandatsträger zum Zeitpunkt der Betriebsstilllegung zulässig.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze und die hierzu übergebenen Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Kündigung vom 02.08.2002 ist gemäß § 15 Abs. 3 a S. 1 KSchG unzulässig. Der Kläger hat zu einer Betriebsversammlung nach § 17 Abs. 3 BetrVG bzw. § 17 a Nr. 3 BetrVG eingeladen. Unstreitig ist dies am 01.08.2002 geschehen. Vom Zeitpunkt der Einladung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist jede ordentliche Kündigung unzulässig.
Die Stilllegung des Modehauses in … die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits konkrete Formen angenommen haben mag, ändert an der Unzulässigkeit der streitgegenständlichen Kündigung nichts. § 15 Abs. 4 und 5 KSchG ist nicht anwendbar. Auf die Frage, ob das Modehaus in … ein eigenständiger Betrieb oder lediglich eine Betriebsabteilung war, ist streitunerheblich. Der Kläger gehört als Einlader zur Betriebsversammlung nicht zu dem von § 15 Abs. 4 und 5 KSchG erfassten Personenkreis. Der besondere Kündigungsschutz des Einladers ist zeitlich beschränkt. Wird ein Betriebsrat gewählt, endet der besondere Kündigungsschutz mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Wird kein Betriebsrat gewählt, endet der besondere Kündigungsschutz nach drei Monaten. Der Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 a KSchG steht auch nur drei Personen zu. In der Regel sind dies die in der Einladung bzw. Antragstellung an erster Stelle Genannten. Anders als in § 15 Abs. 3 KSchG besteht für die einladenden bzw. antragstellenden Arbeitnehmer kein nachwirkender Kündigungsschutz.
Es bedarf keiner näheren Erörterung, ob in der fehlenden Erwähnung des Personenkreises nach § 15 Abs. 3 a KSchG in den nachfolgenden Absätzen eine bewusste oder unbewusste Regelungslücke vorliegt. Besteht eine unbewusste Regelungslücke, ist nach Auffassung der Kammer wegen der besonderen Ausgestaltung des Einlader-Kündigungsschutzes die analoge Anwendung von § 15 Abs. 4 und 5 KSchG ausgeschlossen. Liegt eine bewusste Regelungslücke vor, verbietet sich die Ausweitung der gesetzlichen Vorschriften über die Ausnahme vom besonderen Kündigungsschutz von vornherein.
Kosten: §§ 46 Abs. 2 ArbGG; 495, 91 Abs. 1 ZPO.
Streitwert: §§ 61 Abs. 1; 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG; 3 ZPO.
Fundstellen