Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstelle. Regelungsauftrag. Unwirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle
Leitsatz (redaktionell)
Hat eine Einigungsstelle durch einen Spruch gegen den Willen einer Betriebspartei die Besetzung einer künftig für bestimmte Gegenstände zuständigen Einigungsstelle festgelegt, führt die Unwirksamkeit dieser Regelung zur Unwirksamkeit der gesamten inhaltlichen Regelung, wenn die Einigungsstelle ihrem Auftrag zur Konfliktlösung durch die Verlagerung auf künftige Einigungsstellen nicht nachgekommen ist.
Normenkette
BetrVG § 76 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 01.12.2009; Aktenzeichen 11 BV 23/08) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats und die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 1.12.2009 – 11 BV 23/08 – werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle betreffend die Themen „Flexible Arbeitszeitkonten” und „Lage und Verteilung der Arbeitszeit”.
Die Arbeitgeberin, bei der ca. 120 bis 140 Arbeitnehmer beschäftigt sind, fertigt in ihrem Werk in A-Stadt Karosserieteile und Baugruppen, hauptsächlich für die Automobilindustrie. Antragsteller ist der dort bestehende Betriebsrat. Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden.
Die Beteiligten verhandelten seit 2007 über eine von der Arbeitgeberin angestrebte Flexibilisierung der Arbeitszeit. Mit Schreiben vom 14.05.2008 erklärte die Arbeitgeberin unter der Überschrift „Verhandlungen über die Betriebsvereinbarungen ‚Lage und Verteilung der Arbeitszeit’ und ‚Flexible Arbeitszeitkonten’, ihr Schreiben vom 10.05.2008” die Verhandlungen für gescheitert. Die von der Arbeitgeberin angerufene Einigungsstelle tagte am 28.08.2008 und am 10.09.2008. Nachdem sowohl der Antrag des Betriebsrats als auch der Antrag der Arbeitgeberin keine Mehrheit gefunden hatten, stellte der Vorsitzende der Einigungsstelle einen eigenen Antrag zur Abstimmung, der schließlich mit 4: 3 Stimmen angenommen wurde und der eine Regelung „Flexible Arbeitszeitkonten” und Regelung „Lage und Verteilung der Arbeitszeit” enthält.
Die Regelung „Flexible Arbeitszeitkonten” lautet auszugsweise:
Zeitkonten
Für jeden Mitarbeiter wird ein Zeitkonto geführt, auf dem Zeitgutschriften und -Lastschriften, d.h. Plus- und Minusstunden individuell verbucht werden. Das Zeitkonto wird wöchentlich aktualisiert…
Verfügung über die Zeitsalden
Bei der Verfügung über die Zeitkonten sollen sowohl die betrieblichen, als auch die persönlichen Interessen des Mitarbeiters angemessene Beachtung finden, wobei Urlaub und Krankheit vorrangig zu berücksichtigen sind …
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird, gelten in Bezug auf das Zeitkonto nachfolgende Regelungen:
Weist das Arbeitszeitkonto Plusstunden auf, müssen diese unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse durch Freizeit ausgeglichen werden. Ist dies bis zum Ausscheiden nicht möglich, werden die Plusstunden mit dem jeweils gültigen Stundenentgelt ausgezahlt.
Bei einem Minussaldo muss dem Mitarbeiter die Gelegenheit zur Leistung von Nacharbeit im Rahmen der arbeitsgesetzlichen und betrieblichen Möglichkeiten gegeben werden.
Ist dies aus Gründen in der Person des Mitarbeiters nicht möglich, bzw. verweigert der Arbeitnehmer die Mehrarbeit, werden die Minusstunden vom Monatslohn bis zur Pfändungsfreigrenze in Abzug gebracht. Bei arbeitgeberseitigen Kündigungen können Minusstunden nur dann abgezogen werden, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen dieser Regelung zumutbare Mehrarbeitsstunden ablehnt und die Kündigung verhaltensbedingt ist.
Eine Verrechnung der Minusstunden mit über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubstagen ist nach Absprache mit dem Mitarbeiter im Rahmen bis zum gesetzlichen Mindestniveau möglich.
Rahmen der Zeitkonten im gewerblichen Bereich
… Der Rahmen des Ampelkontos gliedert sich nach folgenden Stufen:
Zeitgutschriften: |
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bis +16 Stunden: |
grüner Bereich |
+17 bis +40 Stunden: |
gelber Bereich |
+41 bis +85 Stunden: |
roter Bereich |
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Zeitlastschriften: |
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bis -16 Stunden: |
grüner Bereich |
-17 bis -40 Stunden: |
gelber Bereich |
-41 bis -85 Stunden: |
roter Bereich |
Im grünen Bereich kann die Inanspruchnahme des Zeitkontos durch den Mitarbeiter nur aus wichtigen betrieblichen Gründen vom Vorgesetzten abgelehnt werden. (z.B. Auftragsspitzen, Urlaub, Krankheit usw.)…
Im gelben Bereich müssen Mitarbeiter und Vorgesetzter eine Regelung treffen, um den Saldo des Zeitkontos in die Grünphase zurückzuführen.
Im roten Bereich muss zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten ein verbindlicher Abbauplan erstellt werden, der mit der Betriebs- und/oder Geschäftsführung abzustimmen ist ….
Ausgleich der Arbeitszeitkonten
Der Ausgleich des individuellen Arbeitszeitkontos muss innerhalb von 12 Monaten erfolgen.
Der Ausgleichszeitraum beginnt immer mit Nulldurchgang des Saldos auf dem individuellen Arbeitszeitkonto neu zu laufen. Fehlt die Möglichkeit aus Krankheitsgründe...