Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Klagezulassung. Zurechnung von Anwaltsverschulden

 

Leitsatz (redaktionell)

Für den Beginn der Zwei-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 S. 1 KSchG kommt es nicht auf die positive Kenntnis des Arbeitnehmers von der Verspätung der Klage an, sondern darauf, wann er bei zumutbarer Sorgfalt Kenntnis von ihr hätte erlangen können. Fragt ein Rechtsanwalt beim Arbeitsgericht im Anschluss an eine behauptete Klageerhebung nicht nach, weshalb innerhalb von zwei Monaten kein Gütetermin anberaumt wird, entspricht dies nicht zumutbarer Sorgfalt.

 

Normenkette

KSchG § 5 Abs. 3; ZPO § 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Beschluss vom 25.06.2003; Aktenzeichen 4 Ca 927/03)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom25.06.2003 – 4 Ca 927/03 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.600,00 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger war seit dem 01.07.1995 bei der Beklagten, die mit cirka 50 Arbeitnehmern ein Güternah- und Fernverkehrsunternehmen betreibt, als Kraftfahrer beschäftigt. Mit Schreiben vom 01.10.2002, das dem Kläger am 05.10.2002 zuging, kündigte die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis zum 01.11.2002. Mit Schriftsatz vom 30.01.2003, der am 31.01.2003 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangen ist, hat der Kläger geltend gemacht, ein von seinem Anwalt am 25.10.2002 unterzeichneter Klageschriftsatz sei nach Auskunft der Hauptkartei des Arbeitsgerichtes dort nicht eingegangen. Die Klageschrift vom 25.10.2002 sei am frühen Nachmittag des gleichen Tages von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in den Postbriefkasten vor dem Amtsgericht Neukölln, der um 18.00 Uhr geleert werde, eingeworfen worden. Der Kläger habe daher davon ausgehen können, dass seine Klage fristgemäß beim Arbeitsgericht Berlin eingehe. Als keine Terminsanberaumung erfolgt sei, habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 30.01.2002 bei der Hauptkartei des Arbeitsgerichts nach dem Aktenzeichen gefragt. Von der Hauptkartei sei jedoch kein anhängiges Verfahren festzustellen gewesen, so dass nunmehr eine zweite Ausfertigung der Klageschrift (Bl. 5 f. d.A.) eingereicht werde.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Richtigkeit des Inhaltes seines Schriftsatzes vom 30.01.2003 an Eides statt versichert.

Der Kläger hat beantragt,

ihm, soweit er sich auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung beruft, wegen Versäumung der Frist des § 4 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen bzw. die beigefügte Klage nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

  1. den Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht Koblenz zu verweisen,
  2. die Klage zurückzuweisen sowie den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus,

der Kläger habe die Antragsfrist im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG versäumt, da diese zweiwöchige Frist bereits dann zu laufen beginne, wenn der Arbeitnehmer, aufgrund konkreter Anhaltspunkte, bei gehöriger Sorgfalt erkennen müsse, dass die Frist möglicherweise versäumt sei. Im vorliegenden Fall hätte dementsprechend der Prozessvertreter des Klägers spätestens nach einer Frist von vier bis fünf Wochen nach Versendung der Klageschrift überprüfen müssen, ob diese beim Arbeitsgericht Berlin eingegangen sei. Rechne man nach dem Klageeingang vom 25.10.2002 eine dementsprechende fünfwöchige Frist hinzu sowie weitere zwei Wochen für die ab dann laufende Antragsfrist aus § 5 Abs 3 Satz 1 KSchG, so sei festzustellen, dass der Zulassungsantrag verspätet eingereicht worden sei.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 07.03.2003 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Koblenz verwiesen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 25.06.2003 (Bl. 31 ff. d.A.) den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat sich das Arbeitsgericht im Wesentlichen die Ausführungen der Beklagten zu Eigen gemacht. In der Rechtsmittelbelehrung zu dem Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.06.2003 wird der Kläger darauf hingewiesen, dass er innerhalb von einer Frist von einem Monat sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung einlegen könne.

Der Kläger hat gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts, welcher ihm am 13.08.2003 zugestellt worden ist, am Montag, den 15.09.2003 sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Kläger trägt vor,

sein Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage sei nicht verfristet, da die Antragsfrist erst mit der positiven Kenntnis vom fehlenden Eingang der Klageschrift begonnen habe; diese Kenntnis habe der Kläger am 30.01.2003 erlangt. Im Übrigen enthalte § 5 Abs. 3 KSchG eine sechsmonatige Ausschlussfrist, die nicht durch eine nicht spezifizierte Frist verkürzt werden könne. Die vom Arbeitsgericht ermittelte Antragsfrist sei dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Unabhängig hiervon werde angeregt, das Beschwerdeverfahren auszusetzen bi...

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