Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungspflicht des Arbeitgebers für die Kosten der anwaltlichen Beratung eines einzelnen Betriebsratsmitglieds wegen Streitigkeiten mit dem Betriebsrat als Gremium
Leitsatz (redaktionell)
1. Durch die Betriebsratsarbeit bedingt im Sinne von § 40 Abs. 1 BetrVG sind auch die Kosten, die einem einzelnen Betriebsratsmitglied durch die Führung von Rechtsstreitigkeiten in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten entstehen, und zwar auch dann, wenn die Rechtsstreitigkeit ausschließlich das Verhältnis des einzelnen Betriebsratsmitglieds zum Betriebsrat als Gremium betrifft.
2. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG besteht, obwohl dies nicht ausdrücklich im Gesetzeswortlaut ausgesprochen ist, nur insoweit, als die entstehenden Kosten für die Durchführung der Betriebsratsarbeit erforderlich waren.
3. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Betriebsratsmitglied den Betriebsrat als Gremium verpflichtet wissen will, einzelne Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen, die aber bereits erfüllt sind.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1, § 80 Abs. 2 S. 2, Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 03.12.2020; Aktenzeichen 5 BV 27/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 03.12.2020, Az. 5 BV 27/19, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um Zahlungs- und Freistellungsansprüche der Beteiligten zu 1) aus abgetretenem Recht. Die Beteiligte zu 1) ist eine Rechtsanwaltskanzlei in Landau. Sie wurde von einem Mitglied des bei der Beteiligten zu 2) gebildeten Betriebsrats, Herrn D., zu dessen gerichtlicher und außergerichtlicher Vertretung gegenüber der Arbeitgeberin und auch gegenüber dem Betriebsrat als Gremium beauftragt.
Hintergrund der Mandatierung waren Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Betriebsrats. Herr D. stellte im Rahmen der Betriebsratssitzung vom 17.04.2019 verschiedene Anträge, die der Betriebsrat ablehnte. Soweit für dieses Verfahren relevant, handelte es sich hierbei um folgende Anträge:
Herr D. beantragte gegenüber dem Betriebsrat erstens, sämtliche Korrespondenz zwischen dem geschäftsführenden Betriebsrat (erster und zweiter Vorsitzender) und der Unternehmensleitung offen zu legen. Der Betriebsratsvorsitzende, Herr E., wies laut Sitzungsprotokoll darauf hin, dass der Zugriff aller Betriebsratsmitglieder auf die Unterlagen dieser Korrespondenz bereits bestehe und unter dem Ordner "public" im "O-Laufwerk" zu finden sei. Der Antrag des Herrn D. wurde daraufhin abgelehnt.
Zudem beantragte Herr D. unter dem Betreff "Systemfreischaltungen", eine einheitliche Systemfreischaltung für alle Betriebsratsmitglieder einschließlich der Ersatzmitglieder in dem Sinne herzustellen, dass alle genannten Personen die gleichen Zugriffsrechte auf die von der Beteiligten zu 2) verwendeten elektronischen Personaldatenbanken haben. Auch zu diesem Punkt wies der Betriebsratsvorsitzende in der Sitzung vom 17.04.2019 darauf hin, dass die Systemfreischaltungen seitens des Unternehmens für alle Mitglieder bereits erfolgt seien und spezielle Freischaltungen beim Unternehmen beantragt werden müssten. Der Antrag wurde daraufhin durch den Betriebsrat abgelehnt.
Schließlich und drittens stellte Herr D. den Antrag, "Zugriff auf alle Bruttoentgeltlisten und Zugriff auf alle Lohn- und Gehaltsentwicklungen" zu erhalten. Auch diesen Antrag lehnte das Gremium ab.
Herr D. suchte daraufhin zu einer Rechtsberatung die Kanzlei der Beteiligten zu 1) auf und schloss dort eine Honorarvereinbarung ab, die einen Stundenlohn von 250,- EUR vorsah. Die Kanzlei informierte die Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 18.06.2019 über die anwaltliche Vertretung von Herrn D., teilte die Gegenstände der Mandatierung mit (Fahrzeugnutzung des Betriebsratsvorsitzenden, Einsicht in die Lohn- und Gehaltsentwicklung, in die Korrespondenz zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat, die Teilnahme an Gewerkschaftsveranstaltungen von Betriebsratskollegen während der Arbeitszeit, Datenfälschung durch den im Betriebsrat ernannten Datenschutzbeauftragten sowie Freischaltung der Personalsoftware e-people) und bat um Erklärung hinsichtlich der Kostenübernahme.
Am 08.07.2019 teilte die Arbeitgeberin mit, sie sehe keinen Anlass, die Kosten zu übernehmen.
Mit Datum vom 08.08.2019 vereinbarten die Beteiligte zu 1) und Herr D. eine Abtretung der Kostenerstattungsansprüche des Herrn D. gegen die Beteiligte zu 2) an die Beteiligte zu 1). Die Beteiligte zu 1) erstellte am 09.08.2019 eine Rechnung gegenüber der Beteiligten zu 2) über einen Gesamtbetrag von 3.101,93 EUR.
Herr D. leitete unter Vertretung durch die Beteiligte zu 1) ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen, Auswärtige Kammern Landau, Az. 5 BV 21/19, ein und kündigte mit seiner Antragsschrift vom 09.08.2019 die Anträge an,
- den (dortigen) Beteiligten zu 2) (dort Betriebsrat) zu verpflichten, ihm Einsicht in die dem Betriebsrat vorliegenden Lohn- und Gehaltstab...